Rz. 91
§ 115 HGB, der die Verbindung von Anfechtungs- und Feststellungsklage regelt (wohingegen § 115 HGB alt die Geschäftsführung durch mehrere Gesellschafter geregelt hatte), hat folgenden Wortlaut:
Wendet sich ein Gesellschafter gegen einen Beschluss, mit dem ein Beschlussvorschlag abgelehnt wurde, kann er seinen Antrag auf Nichtigerklärung des ablehnenden Beschlusses mit dem Antrag verbinden, dass ein Beschluss festgestellt wird, der bei Annahme des Beschlussvorschlags rechtmäßig gefasst worden wäre. Auf die Feststellungsklage finden die für die Anfechtungsklage geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung“.
Auch nach der Umstellung vom Feststellungs- auf das Anfechtungsmodell ist die Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) nicht obsolet, da die Anfechtungsklage die Feststellungsklage nur innerhalb ihres Anwendungsbereichs verdrängt (mithin das Rechtsschutzbegehren des klagenden Gesellschafters auf Nichtigerklärung eines Beschlusses gerichtet ist). Damit verbleibt ein Anwendungsbereich für die allgemeine Feststellungsklage, bspw. wenn streitig ist, ob überhaupt ein Beschluss gefasst wurde bzw. ein solcher nicht rechtssicher festgestellt werden kann (was einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nicht zugänglich ist).
Rz. 92
Der klagende Gesellschafter kann ein Interesse daran haben der kassatorischen Wirkung der Anfechtungsklage durch Verbindung mit einer Feststellungsklage (sog. positive Beschlussfeststellungsklage) eine quasi gestaltende Wirkung zu verschaffen – bspw. wenn ein Beschluss durch einen Versammlungsleiter förmlich festgestellt wird, mit dem ein Beschlussvorschlag etwa wegen eines Zählfehlers oder wegen fehlerhaft angenommener Mehrheitsverhältnisse zu Unrecht abgelehnt wird. In diesem Fall muss vor einer gerichtlichen Feststellung des "wahren" Beschlusses zunächst die vorläufige Bestandskraft des förmlich festgestellten Beschlusses beseitigt werden. Daher kann und muss die Anfechtungsklage i.d.R. mit einer (positiven Beschluss-) Feststellungsklage verbunden werden, "weil anzunehmen ist, dass dem klagenden Gesellschafter für die isolierte Erhebung einer Anfechtungsklage oder einer Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt" (Verbindung zur kombinierten Feststellungsklage): Wendet sich ein Gesellschafter gegen einen Beschluss, mit dem ein Beschlussvorschlag abgelehnt wurde, kann er nach § 115 S. 1 HGB seinen Antrag auf Nichtigerklärung des ablehnenden Beschlusses mit dem Antrag verbinden, dass ein Beschluss festgestellt wird, der bei Annahme des Beschlussvorschlags rechtmäßig gefasst worden wäre.
Beachte:
Wenn hingegen Streit darüber besteht, ob und mit welchem Ergebnis überhaupt ein Beschluss gefasst wurde, kommt nur eine Feststellungsklage, die unter den allgemeinen Voraussetzungen (Feststellungsinteresse) von jedermann erhoben werden kann, in Betracht, die sich gegen denjenigen richtet, gegen den ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht.
Rz. 93
Eine Rechtskrafterstreckung kommt in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 6 HGB in Betracht: "Anstelle daher alle anderen Gesellschafter in den Prozess einzubeziehen, ist davon auszugehen, dass sich diese isolierte Feststellungsklage eines Gesellschafters analog § 113 Abs. 2 S. 1 HGB grundsätzlich gegen die Gesellschaft richtet".
Beachte:
Im Fall eines Beschlusses, der wegen Eingriffs in ein relativ unentziehbares Recht eines Gesellschafters dessen Zustimmung bedarf, woran es jedoch fehlt, ist der Beschluss zwar nicht anfechtbar und auch nicht nichtig, aber unwirksam: Unwirksamkeit des Beschlusses, die nach förmlicher Beschlussfeststellung gleichermaßen mit der isolierten Feststellungsklage geltend gemacht werden kann und keiner Befristung unterliegt. Mit der Klageerhebung versagt der Gesellschafter seine Zustimmung zu dem Eingriff in sein Mitgliedschaftsrecht – weshalb, wenn sich somit sein Rechtsschutzbegehren auf die Feststellung der endgültigen Unwirksamkeit des Beschlusses richtet, nach Ansicht des Gesetzgebers eine Analogie zur Nichtigkeitsklage sachgerecht erscheint. Dann soll eine Rechtskrafterstreckung nicht überschießend wirken mit der Folge, "dass sich die Klage analog § 113 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 114 S. 1 HGB gegen die Gesellschaft richtet und beim Landgericht am Sitz der Gesellschaft zu erheben ist".
Rz. 94
Auf die Feststellungsklage finden nach § 115 S. 2 HGB die für die Anfechtungsklage geltenden Vorschriften der §§ 111 und 113 HGB (zu Passivlegitimation, Klagefrist und Zuständigkeit) entsprechende Anwendung.
Beachte:
Über den ausdrücklich geregelten Fall des § 115 HGB hinaus ist ggf. auch eine isolierte allgemeine Feststellungsklage (bspw. bezüglich des Vorliegens eines Scheinbeschlusses [Negativfeststellung eines Scheinbeschlusses] bzw. in Fällen, in denen ein Beschluss weder anfechtbar oder nichtig, sondern unwirksam ist, oder Konstellationen unwirksamer Beschlüsse infolge fehlender behördlicher Genehmigung bzw. solche, bei denen eine notwendig...