Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 513
Bemessungszeitpunkt für die Feststellung der ehelichen Lebensverhältnisse ist zunächst der Zeitpunkt der Trennung.
Rz. 514
Hinweis
Der Unterhaltsberechtigte darf zur Berechnung der ehelichen Lebensverhältnisse deshalb nicht etwa frei einen früheren Zeitraum der Eheführung wählen, in welchem eventuell ein besonders hohes Konsumverhalten der Eheleute zu verzeichnen war. Entscheidend ist die Zeit unmittelbar vor Trennung der Beteiligten.
Rz. 515
Später eintretende Veränderungen werden berücksichtigt, wenn sie in der Ehe angelegt waren und wenn sie, im Falle von Einkommensreduzierungen, nicht unterhaltsbezogen leichtfertig waren. Während der Trennungszeit sind – weil in der Ehe angelegt – deshalb die sich aus den maßgebenden Verhältnissen ergebenden Folgen fortzuschreiben, da bei Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft der andere Ehegatte wirtschaftliche Veränderungen ebenfalls hätte mittragen müssen.
Rz. 516
Das frühere Stichtagsprinzip des Trennungszeitpunkts gilt nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr.
Dies gilt sowohl für die Trennungszeit als auch nach Scheidung der Ehe.
Während der Trennungszeit besteht das Eheband fort; die Ehe kann jederzeit wieder aufgenommen werden. Alle in dieser Zeit eintretenden positiven wie negativen wirtschaftlichen und persönlichen Entwicklungen der Ehegatten fließen in die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse ein. Eine Ausnahme bilden lediglich unterhaltsbezogen leichtfertige Einkommenseinbußen beider Eheleute.
Rz. 517
Nach Scheidung der Ehe sind nicht die zum Zeitpunkt der Scheidung bestehenden ehelichen Lebensverhältnisse maßgebend; diese sind nach der Scheidung fortzuschreiben. Für den Bedarf, so der BGH, ist an die Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen anzuknüpfen (abgeleitete Lebensstellung).
Rz. 518
Bei unterhaltsrechtlich leichtfertigem Verhalten des Unterhaltspflichtigen ist allerdings von einem fiktiven Einkommen auszugehen, das den früheren Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen entspricht. Leichtfertiges Verhalten ist vorwerfbares Verhalten, beispielsweise die Aufgabe einer Arbeitstätigkeit mit der Folge der Erwerbslosigkeit.
Rz. 519
Eine Reihe negativer Veränderungen sind jedoch sowohl vom Unterhaltsgläubiger als auch vom Schuldner hinzunehmen. Eine – automatische – negative Veränderung stellt die höhere Steuerbelastung durch Änderung der Steuerklasse und Wegfall von Steuervorteilen dar, die mit dem Zusammenleben und/oder Zustand des Verheiratetseins verknüpft sind.
Auch der Eintritt in das Rentenalter durch einen der Beteiligten verändert die Unterhaltssituation. In der Regel verringert sich dadurch bereits das zur Verfügung stehende Gesamteinkommen mit der Folge eines verringerten Unterhaltsanspruchs.
Der Unterhaltsschuldner darf, und auch das verringert sein zur Verfügung stehendes Einkommen, bis zu 4 % seines Jahrsbruttoeinkommens für zusätzliche Altersvorsorge verwenden. Dies gilt auch, wenn Altersvorsorge während der Ehezeit nicht betrieben wurde.