Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1455
Das Schwergewicht der Einkünfte liegt regelmäßig im erzielten Einkommen aus selbstständiger oder nicht selbstständiger Berufstätigkeit. Zur Berechnung des für die Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehenden Einkommens ist deshalb nicht das Bruttoeinkommen, sondern das bereinigte Nettoeinkommen heranzuziehen.
Rz. 1456
Das bereinigte Nettoeinkommen wird berechnet, indem von den Bruttoeinkünften aus allen Einkunftsarten dasjenige abgezogen wird, was für andere Zwecke als den laufenden Lebensbedarf verwendet werden muss und deshalb unterhaltsrechtlich als zulässiger Abzugsposten anzuerkennen ist.
Rz. 1457
Bei Nichtselbstständigen ergibt sich das Nettoeinkommen durch Abzug folgender Positionen vom Bruttoeinkommen:
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Zahlungen für Lohn-, Einkommen- und Kirchensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag, |
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Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit. |
Der weitere Abzug der folgenden Positionen führt zur Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens:
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Zur Erzielung des Einkommens notwendige Aufwendungen: Berufsbedingte Aufwendungen bei nicht selbstständiger Arbeit; unterhaltsrechtlich relevante Betriebsausgaben bei Freiberuflern und Unternehmern; Werbungskosten bei Miet-, Kapital- und sonstigen Einkünften; |
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Kinderbetreuungskosten; |
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Mehrbedarf für Krankheit und Alter; |
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Zins- und Tilgungsleistungen für berücksichtigungswürdige Schulden; |
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Unterhaltsleistungen; |
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Aufwendungen zur gemeinsamen Vermögensbildung. |
Im Übrigen können auch Einkünfte aus unzumutbarer Tätigkeit als eheprägend angesehen werden.
Rz. 1458
Erzielt der Bedürftige Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit, gleichgültig ob während der Ehe ausgeübt, nach der Trennung fortgesetzt oder erst nach Trennung bzw. Scheidung aufgenommen, so sind diese Einkünfte nach Abzug eines anrechnungsfreien Betrages gem. § 1577 Abs. 2 BGB in der Ehe angelegt.
Unzumutbarkeit dieser – überobligatorischen – Erwerbstätigkeit bedeutet lediglich, dass derjenige, der sie ausübt, nicht gehindert ist, sie jederzeit zu beenden, ohne dass ihm dies unterhaltsrechtlich negativ zugerechnet wird. Dies betrifft namentlich die Berufstätigkeit eines (früheren) Ehepartners, der ein gemeinsames Kind betreut, dass das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder die Berufstätigkeit über den Regelaltersruhestand von – derzeit – 65 Jahren hinaus.
Rz. 1459
Die Höhe des anrechnungsfreien Betrages richtet sich nach § 1577 Abs. 2 BGB. Die Höhe der Kürzung ist eine Einzelfallfrage. Hinsichtlich des Anwendungsfalls bei der Betreuung von kleinen Kindern ist ein Betreuungsbonus in die Billigkeitsentscheidung mit einzubeziehen. Dieser sollte in der Regel den hälftigen Nettobetrag erreichen, den der Bedürftige aus eigentlich unzumutbarer Tätigkeit erzielt.
Rz. 1460
Auch bei einer Tätigkeit über die Regelaltersgrenze von derzeit 65 Jahren hinaus bleibt die Höhe des anzusetzenden Einkommens eine Frage der Einzelfallentscheidung. Die Höhe hängt auch davon ab, aus welchem Grund die Tätigkeit fortgesetzt oder eine Nebentätigkeit nach Verrentung/Pensionierung ausgeführt wird, z.B. Schuldenabbau oder unzureichende Altersvorsorge.
In einer Einzelfallabwägung sind insbesondere das Alter, die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zusammen hngende körperliche und geistige Belastung, die ursprüngliche Planung der Eheleute sowie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.
Rz. 1461
Im Ausnahmefall kann das bisherige Einkommen weiterhin voll angerechnet werden. Falls aber die Fortsetzung der Berufstätigkeit wegen des notwendigen Abbaus von Schulden oder wegen unzureichender Altersvorsorge erfolgt, sollte lediglich das Einkommen aus vorhandenen Versorgungsbezügen angesetzt werden. Grundsätzlich sollte bei einem Alter über 70 Jahren keine Anrechnung des Einkommens über das Einkommen aus den Versorgungsbezügen hinaus erfolgen.
Rz. 1462
Beim Pflichtigen ist ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit ebenfalls eheprägend, soweit es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzusetzen ist. Unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles ist regelmäßig allerdings nur ein Teil des Einkommens, etwa ⅓ bis ½, in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen (z.B. bei der Nebentätigkeit als Gutachter, Autor oder Referent).
Der Pflichtige kann diese Nebentätigkeit aber jederzeit aufgeben. Dadurch senkt sich das Einkommen. Diese Einkommensreduzierung ist eheprägend und damit vom Bedürftigen zu akzeptieren.
Nicht ohne weiteres zuzubilligen ist dem Verpflichteten, sich mit seinem Arbeitgeber auf eine Vorruhestandregelung zu verständigen. Im Einzelfall kann der Wechsel in Altersteilzeit aber aus gesundheitlichen, persönlichen oder betrieblichen Gründen gerechtfertigt sein.