Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1948
Der BGH hatte in mehreren Entscheidungen seit dem 28.2.2007 die ehelichen Lebensverhältnisse abweichend von der bis dahin geltenden Rechtsprechung bewertet. Danach waren alle nach der Scheidung auf Seiten des Unterhaltspflichtigen entstehenden Unterhaltspflichten ebenso eheprägend wie nach der Scheidung von ihm begründete Verbindlichkeiten.
Dies sollte unabhängig davon gelten, ob der neue Ehegatte gegenüber dem geschiedenen Ehegatten vor-, gleich- oder nachrangig war.
Rz. 1949
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung und die darauf beruhende Berechnungsmethode, die sog. Dreiteilungsmethode, für verfassungswidrig erklärt.
Begründet hat das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung damit, dass sich mit der Dreiteilungsmethode zur Berechnung des Bedarfs des geschiedenen und des neuen Ehegatten der BGH vom Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts löst. Mit diesem Systemwechsel habe der BGH die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten und verletze Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG.
Rz. 1950
Darauf hat der BGH seine Rechtsprechung zur Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse angepasst und das Stichtagsprinzip betont. Danach sind eheprägend Umstände, die bis zur Rechtskraft der Scheidung eingetreten sind.
Die ehelichen Lebensverhältnisse prägen daher Umstände, die
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Auch bei Fortbestand der Ehe eingetreten wären, |
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In der Ehe angelegt sind oder |
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Als Surrogat anzusehen sind. |
Dies wirkt sich besonders in Fällen der Konkurrenz von Unterhaltsansprüchen des geschiedenen und des neuen Ehegatten aus.
Rz. 1951
Nicht in der – früheren – Ehe angelegt sind danach nämlich
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Der Unterhalt des neuen Ehegatten, |
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Der Splittingvorteil aufgrund der neuen Ehe, |
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Einkommenszuschläge aufgrund der neuen Ehe und |
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Vorteile des Zusammenlebens mit dem neuen Ehegatten. |
Nicht zulässig ist es deshalb, den Unterhalt der zweiten Ehefrau als eheprägend für die Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehe anzusetzen.
Rz. 1952
Da regelmäßig das Einkommen in solchen Fällen nicht ausreichen wird, um den vollen Unterhaltsbedarf sowohl der geschiedenen als auch der neuen Ehefrau zu gewährleisten, wird ein Mangelfall vorliegen, der zu einer Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1581 BGB führt.
Die Billigkeitsabwägung des § 1581 BGB zielt auf einen billigen, gerechten Ausgleich zwischen den Ehegatten.
Rz. 1953
Die angemessene Verteilung muss auch den Erwerbstätigenbonus sowie die Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Ehegatten berücksichtigen.
Inwieweit allerdings ein Billigkeitsunterhalt zu bestimmen ist, hängt vom Rang des jeweiligen Berechtigten nach § 1609 BGB ab.
Da Rangverhältnisse aber erst in einem Mangelfall von Bedeutung sind, ist vorweg zu klären, ob die Deckungsmasse ausreicht, um den vollen angemessenen Bedarf aller Berechtigten und des Verpflichteten zu decken. Wird bei einem Vergleich zwischen Gesamtbedarf und Deckungsmasse ein Fehlbedarf festgestellt, ist eine Klärung der Rangverhältnisse herbeizuführen. Nachrangig Berechtigte sind zunächst von der Berechnung auszuschließen.
Rz. 1954
Zum Bedarf bei mehreren Ehegatten – und auch Berechtigten nach § 1615l BGB bestimmen einige Leitlinien der Oberlandesgerichte in den jeweiligen Ziff. 15.5 Folgendes, wobei sich die übrigen Oberlandesgerichte in ihren Leitlinien zu diesem Thema nicht äußern:
Schuldet der Unterhaltspflichtige sowohl einem geschiedenen als auch einem neuen Ehegatten Unterhalt, hat dies keinen Einfluss auf die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Unterhaltsberechtigten. Allerdings kann dies bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) zu einem relativen Mangelfall und bei Gleichrang zu einer Begrenzung des geschuldeten Unterhalts (Gleichteilung) führen (BGH FamRZ 2012, 281).
Ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf sind nacheheliche Entwicklungen, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe haben, wie die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, der Splittingvorteil aus der neuen Ehe, sonstige von der neuen Ehe abhängige Einkommenszuschläge, der Vorteil des Zusammenlebens in der neuen Ehe, Unterhaltspflichten für nachehelich geborene Kinder und hierdurch bedingte Ansprüche nach§ 1615l BGB. Wegen der möglichen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit ist Nr. 21.3.2 zu beachten.
Der Bedarf der Ehegatten berechnet sich nach dem Prioritätsgrundsatz. Danach sind die Unterhaltspflichten für einen späteren Ehegatten oder gegenüber dem betreuenden Elternteil eines nach der Scheidung der Eheleute geborenen Kindes (§ 1615l BGB) bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs des ersten Ehegatten nach§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGBnicht zu berücksichtigen. Zur Anwendung der so genannten Dreiteilungsmethode kann es aber noch im Rahmen der Leistungsfähigkeit und der Mangelverteilung kommen (vgl. Nr. 24.3.2), wenn der erste Ehegatte nicht vorrangig ist. Der Bedarf eines späteren Ehegatten wird zwar durch die Unterhaltslast des Pfl...