Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 731
Die Vorschrift regelt den Übergang von Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder, die wegen Behinderung im Sinne von § 53 SGB XII Eingliederungshilfe oder wegen Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 61 SGB XII Hilfe zur Pflege und/oder Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, gegen ihre Eltern in wesentlichen Punkten neu. Wird den Kindern Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege geleistet, gehen deren Unterhaltsansprüche gegen beide Elternteil nur bis zum insgesamt 26 EUR im Monat auf den Sozialhilfeträger über, ohne dass es zunächst auf die Leistungsfähigkeit ihrer Eltern oder darauf ankommt, ob nur Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege oder beides nebeneinander geleistet wird, ferner auf die Hilfe in stationärer, teilstationärer oder ambulanter Form oder ob sie als Pflicht-, Soll- oder Kann-leistung gewährt wird.
Hier ist also der besondere Fall gegeben, dass ein Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII unterbleibt. Wird die Hilfe zum Lebensunterhalt zusätzlich zur Eingliederungshilfe oder zur Hilfe zur Pflege erbracht, beläuft sich der Anspruchsübergang auf die Summe der beiden Beträge.
Rz. 732
Andere Hilfen, z.B. zur Gesundheit, werden von der Sonderregelung des § 94 Abs. 2 SGB XII nicht erfasst. Erhalten die Kinder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII, scheidet nach § 94 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. SGB XII der Anspruchsübergang aus.
Rz. 733
Nach § 94 Abs. 2 S. 2 SGB XII wird widerlegbar vermutet, dass die Unterhaltsansprüche dieser Kinder gegen ihre Eltern in Höhe von 26 EUR bzw. 20 EUR auf den Sozialhilfeträger übergehen und dass die Eltern zu gleichen Teilen haften. Die Vermutung wird widerlegt, wenn den Eltern der Nachweis gelingt,
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dass ihnen eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit entweder keinen oder nur geringen Unterhalt als 26 EUR ggf. zzgl. 20 EUR für die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt, schulden; |
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ist ein Elternteil leistungsfähig, hat der leistungsfähige andere Elternteil den Gesamtbetrag aufzubringen oder |
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dass sie selbst sozialhilfebedürftig sind oder sie es durch Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht wurden; |
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dass der Anspruchsübergang eine unbillige Härte im Sinne von § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII darstellen würde. |
Zu beachten ist, dass § 94 Abs. 2 SGB XII nicht für Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gegen ihre Eltern, von Eltern gegen ihre Kinder und zwischen Ehegatten, Lebenspartnern und Partner in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft lebt. Insoweit bleibt es beim gesetzlichen Forderungsübergang nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII, wenn nicht einer der sonstigen Ausschlussgründe des § 94 Abs. 3 Nr. 1 u. 2 SGB XII eingreift oder andere sozialhilferechtliche Vorschriften den Umfang des Anspruchsüberganges einschränken.
Rz. 734
Hinweis
Eltern, die bisher Eingliederungsmaßnahmen, Pflege oder Lebensunterhalt ihres volljährigen behinderten oder pflegebedürftigen Kindes selbst finanziert haben, sollten sofort für ihr Kind Sozialhilfe beantragen. Sie können zu diesen Kosten vom Sozialhilfeträger selbst bei unbeschränkter Leistungsfähigkeit nur in dem vorstehend dargestellten Umfang – max. 46 EUR – herangezogen werden.
Der Ausschluss betrifft Unterhaltsansprüche von Leistungsberechtigten, da Eingliederungshilfe außerhalb des Anwendungsbereichs von § 94 Abs. 2 SGB XII nicht geleistet wird. Er kommt insbesondere denjenigen Eltern oder Elternteilen zugute, die mit ihren minderjährigen Kindern, denen Eingliederungsmaßnahmen nach § 94 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–8 der Vorschrift gewährt wird, keine Bedarfsgemeinschaft bilden. Dem Umfang der für die Durchführung der Eingliederungsmaßnahmen geleisteten Sozialhilfe geht der Unterhaltsanspruch dieser Kinder gegen ihre Eltern oder Elternteile nicht auf den Sozialhilfeträger über, im Übrigen nur nach Maßgabe von § 92 Abs. 2 S. 3 und 4 SGB XII. Ist der behinderte Mensch volljährig, richtet sich die Heranziehung seiner Eltern nach § 94 Abs. 2 SGB XII.
Die Regelung schließt den Übergang des Unterhaltsanspruches auf den Sozialhilfeträger aus, wenn und soweit der Unterhaltspflichtige selbst unterhaltsbedürftig ist oder es bei Erfüllung seiner Unterhaltspflicht werden würde. Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer sozialrechtlichen Vergleichsberechnung zu ermitteln. Im Rahmen der Vergleichsberechnung sind miteinander zu vergleichen:
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Der nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen ermittelte Unterhaltsanspruch des Leistungsberechtigten |
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mit dem Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen als Differenz zwischen seinem nach sozialhilferechtlichen Vorschriften einzusetzendes Einkommen und Vermögen auf seinem (ggf. fiktiven) sozialrechtlichen Hilfebedarf verbleibt. |
Rz. 735
Der Anspruchsübergang erstreckt sich nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nur auf den geringeren der beiden Beträge. Nicht zu vergleichen ist das sozialrechtlich zu berücksichti...