Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1074
§ 1570 Abs. 1 S. 1 BGB gewährt einen Basisunterhalt für die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Für diese ersten drei Lebensjahre gilt der Vorrang elterlicher Betreuung. Auch dann, wenn eine Fremdversorgung möglich wäre, kann der betreuende Elternteil sich frei entscheiden, das Kind selbst zu betreuen oder auch alternativ einer Arbeitstätigkeit nachzugehen.
a) Vorrang elterlicher Betreuung
Rz. 1075
Der Gesetzgeber hat sich für diesen Zeitraum für einen eindeutigen Vorrang der elterlichen Betreuung entschieden. Dies entspricht auch dem Kindeswohl. Die Einräumung des Vorrangs elterlicher Erziehung korrespondiert daher auch mit den sozialstaatlichen Regelungen hinsichtlich des Anspruches
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auf Elternzeit, § 15 BErzGG, |
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auf Gewährung von Kindererziehungszeiten als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung, §§ 3, 55, 56 SGB VI, |
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auf einen Kindergartenplatz, § 24 Abs. 1 SGB VIII. |
Auch Beziehern von ALG II wird in dieser Zeit nur eingeschränkt zugemutet, erwerbstätig zu sein, § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II.
Eine ausgeübte Erwerbstätigkeit kann deshalb in der Regel sanktionslos wieder aufgegeben werden. Etwaiges erzieltes Einkommen in dieser Zeit ist immer überobligatorisch und lediglich entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB anteilig anzurechnen.
b) Einkommen des Berechtigten
Rz. 1076
Die Höhe des ggf. anteilig zu berücksichtigenden Einkommens hängt insbesondere davon ab, in welchem Maß der Betreuende von der Erwerbsobliegenheit befreit ist. Grundsätzlich gilt aber, dass aus dieser Erwerbstätigkeit erzielte Einkünfte nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Über die Höhe ihrer Anrechnung ist gemäß § 1577 Abs. 2 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Sie sind hinsichtlich eines nach Billigkeit zu bestimmenden unterhaltsrelevanten Teils als bedarfsprägende Einkünfte zu berücksichtigen und in die Unterhaltsberechnung einzustellen.
Rz. 1077
Die in diesem Zusammenhang zum Teil vertretene Auffassung, nur dann handele es sich bei der Aufgabe einer Erwerbstätigkeit in dieser Zeit um keine Verletzung der Erwerbsobliegenheit, wenn die Fortführung der Arbeitstätigkeit nach nunmehriger Trennung der Eltern mit zusätzlichen Belastungen für den betreuenden Elternteil verbunden sei, ist allerdings nachvollziehbar.
Rz. 1078
Auch wenn sich aus der Begründung des Gesetzgebers ein ohne Einschränkungen bestehendes Wahlrecht des betreuenden Elternteils ablesen lässt, liegt der Sinn des Wahlrechts im Wesentlichen doch darin, Belastungen des Kindes in den ersten drei Lebensjahren und damit einen zu frühen Übergang in die Fremdbetreuung zu vermeiden. Zeigt der Vergleich zwischen der Situation während der Führung der Ehe und der anschließenden Trennungssituation aber keinen Unterschied für das betroffene Kind, keinerlei zusätzliche Belastung, wird die bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit durchaus im Einklang mit dem Kindeswohl fortgeführt werden können.
Rz. 1079
Es handelt sich dabei um Fälle, in denen beispielsweise Freiberufler, also Rechtsanwälte, Ärzte etc. sich nach der Geburt eines Kindes bewusst für die Fortsetzung ihrer Arbeitstätigkeit entscheiden. Ist diese Situation nach Trennung der Eheleute ohne jede zeitliche oder persönliche Einschränkung und/oder Mehrbelastung für das Kind und den mit ihm überwiegend zusammenlebenden Elternteil fortsetzbar, ist nicht einsichtig, wem eine Aufgabe jeglicher Erwerbstätigkeit dienen soll. Hier ist der gegenläufige Aspekt zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsgläubiger verpflichtet ist, den Unterhaltsschuldner nach Möglichkeit zu entlasten.
Für das Fehlen jeder zusätzlichen Belastung für das Kind und den betreuenden Elternteil wäre aber der grundsätzlich Unterhaltsverpflichtete darlegungs- und beweispflichtig.
Rz. 1080
Trotz des in § 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB normierten Vorrangs elterlicher Betreuung kann neben dem Fehlen jeglicher, mit der Veränderung einhergehender Belastungen, aus ganz besonderen Gründen die Verpflichtung zur Aufnahme oder Fortführung – teilweisen – Erwerbstätigkeit angenommen werden. Dies gilt allerdings ausschließlich in Ausnahmefällen, z.B. dann, wenn besonders hohe Verbindlichkeiten in einer Zeit eingegangen wurden, als die getrenntlebenden oder geschiedenen Eheleute noch beide erwerbstätig waren.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestandes trägt der Unterhaltspflichtige.