Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 908
Ungeachtet der Aufspaltung auf einzelne Tatbestände ist der nacheheliche Unterhaltsanspruch prozessual zunächst immer ein einheitlicher Anspruch. Ein Beschluss umfasst im Zweifel alle Tatbestände der §§ 1570 ff. BGB. Das gilt selbst bei abweisenden Beschlüssen. Ein im Unterhaltsverfahren unerörtert gebliebener Unterhaltstatbestand kann deshalb nur unter den besonderen Voraussetzungen eines Abänderungsverfahrens geltend gemacht werden.
Bei abweisenden Beschlüssen ist selbstverständlich bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nur ein neues Erstverfahren möglich.
Rz. 909
Wegen der Einheitlichkeit eines Unterhaltstitels ist auch der Wegfall eines vormals erfüllten nachehelichen Unterhaltstatbestandes unbeachtlich, sofern zu diesem Zeitpunkt ein anderer Unterhaltstatbestand der §§ 1570 ff. BGB erfüllt ist. Ist z.B. ein Unterhaltstatbestand nach § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Betreuungsbedürftigkeit nicht (mehr) gegeben und ist der Berechtigte zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt bedürftig, kann dies zur Rechtfertigung eines bereits erwirkten Unterhaltstitels angeführt werden. Es ist dann Aufgabe des Verpflichteten, sich gegen den Fortbestand des Titels mit dem Abänderungsantrag zu wehren.
Rz. 910
Ungeachtet der Einheitlichkeit des nachehelichen Unterhalts muss konkret geprüft werden, welcher der einzelnen Unterhaltstatbestände erfüllt ist. Diese Differenzierung ist erforderlich, weil die einzelnen Unterhaltstatbestände des nachehelichen Unterhalts sehr unterschiedliche Voraussetzungen haben, die sich in entscheidender Weise auf den Grund und die Höhe des festzusetzenden Unterhalts auswirken können.
Dementsprechend verlangt der BGH in ständiger Rechtsprechung eine Differenzierung zwischen den einzelnen Unterhaltstatbeständen.
Rz. 911
Die folgenden Besonderheiten sind bei den einzelnen Unterhaltsansprüchen zu beachten:
Der Unterhaltsanspruch wegen Kindeserziehung ist in vielfältiger Weise privilegiert (§ 1609 BGB: Vorrang; § 1577 Abs. 4 S. 2 BGB: Späterer Vermögensverfall; § 1586a BGB: Wiederaufleben; § 1573 Abs. 5 BGB, § 1578b BGB, § 1579 BGB: Erschwerte Begrenzung, Befristung und Verwirkung)
Der Aufstockungsunterhalt ist nur in abgeschwächter Form ausgestaltet
Für die Tatbestände des nachehelichen Unterhalts sind verschiedene Einsatzzeitpunkte vorgesehen. Fehlen die Unterhaltsvoraussetzungen zu einem bestimmten Einsatzzeitpunkt, muss der bedürftige Ehegatte das Unterhaltsrisiko selbst tragen. Beispielsweise geht der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten wegen Arbeitslosigkeit/Übergangsschwierigkeiten infolge einmal vorhandener nachhaltiger Unterhaltssicherung verloren, § 1573 Abs. 4 BGB. Schicksalhafte Ereignisse nach der Scheidung sollen grundsätzlich nicht vom anderen Ehegatten getragen werden.
Die Parteien eines Unterhaltsverhältnisses können sich über einzelne Unterhaltsansprüche jeweils gesondert vergleichen oder hierauf verzichten, ohne auf andere Tatbestände, z.B. Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB, verzichtet zu haben.
Der Übergang von einer Anspruchsgrundlage zur anderen führt dazu, dass der Berechtigte die Darlegungs- und Beweislast für alle Voraussetzungen des neuen Unterhaltsanspruchs trägt, der zur Aufrechterhaltung des Titels herangezogen wird. Dies gilt unabhängig von den Parteirollen auch bei Abänderungsverfahren.