Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1345
Der Anspruch nach § 1575 Abs. 1 BGB hat folgende Voraussetzungen:
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Abbruch oder Nichtaufnahme einer Ausbildung in Erwartung oder während der Ehe |
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Erforderlichkeit der Ausbildung zur Erlangung angemessener Erwerbstätigkeit |
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Aufnahme der Ausbildung sobald als möglich nach der Scheidung |
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Erwartung des Abschlusses innerhalb normaler Ausbildungszeit. |
a) Begriff und Art der Ausbildung
Rz. 1346
Der Begriff der Ausbildung ist sehr weit gefasst. Erforderlich ist ein anerkanntes Berufsausbildungsverhältnis, verbunden mit einem bestimmten Ausbilder und einem bestimmten Ausbildungsplan. Es muss sich dabei um eine vom Arbeitsamt anerkannte Maßnahme der Weiterbildungsförderung i.S.d. SGB III handeln. Firmeninterne Qualifikationsmaßnahmen fallen nicht darunter.
Rz. 1347
Kommen mehrere gleichwertige Ausbildungen in Betracht, ist diejenige zu wählen, die möglichst kurz und kostengünstig ist. Besonders zeit- und kostenaufwändige Ausbildungsgänge können nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen akzeptiert werden, um die umfangreichere Unterhaltsbelastung des Pflichtigen zu rechtfertigen.
Rz. 1348
Zweitausbildungen oder Promotionen sind unter keinem denkbaren Aspekt zu finanzieren, auch wenn dadurch die beruflichen Erwerbschancen verbessert werden.
Rz. 1349
Die Art der Ausbildung muss der im Zusammenhang mit der Ehe konkret unterlassenen oder abgebrochenen Ausbildung entsprechen. Die Entsprechung zeigt sich
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im Niveau, |
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im Ausbildungsumfang, |
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in den Anforderungen und |
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in der sozialen Einordnung. |
Vergleichbar:
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Ausbildung zur Krankenschwester und Ausbildung zur Steuerfachangestellten; |
Nicht vergleichbar:
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Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten und Studium der Rechtswissenschaft |
Rz. 1350
War die Ausbildung bereits weit fortgeschritten, muss sie beibehalten bleiben. Eine Umorientierung auf eine andersartige Ausbildung ist dann nicht mehr möglich.
b) Ehebedingte Nichtaufnahme oder Abbruch der Ausbildung
Rz. 1351
§ 1575 BGB soll ehebedingte Ausbildungsnachteile ausgleichen.
Die Nichtaufnahme einer Ausbildung durch einen Ehegatten vor der Ehe muss daher in Erwartung der Ehe erfolgt sein. Notwendig sind für eine solche Nichtaufnahme zumindest konkrete Berufspläne, in der Regel aber auch darüber hinaus konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Pläne, beispielsweise eine Anmeldung bei einer Ausbildungsstätte. Es kann auch eine Bewerbung genügen.
Rz. 1352
Voraussetzung ist aber, dass die Eingangsvoraussetzungen für die Ausbildung vorlagen und eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestand, diese Ausbildung ohne die Eheschließung absolviert zu haben.
Die schlichte Äußerung von Berufswünschen vor Eingehung der Ehe reicht nicht aus.
Rz. 1353
Bei Abbruch einer Ausbildung ist vom Berechtigten darzulegen und zu beweisen, dass das Verhalten ehebedingt war. Voraussetzung ist aber die Heiratsabsicht der Beteiligten zum Zeitpunkt des Abbruchs. Hatten sich die späteren Eheleute erst kennen gelernt, ist ein Ausbildungsabbruch auch dann nicht ehebedingt, wenn einer der Partner in der Hoffnung auf eine nähere und langfristige Beziehung den Wohnort wechselt.
Wird die Ausbildung erst während der Ehe abgebrochen, wird vermutet, dass der Abbruch ehebedingt ist. Der Abbruch muss dann aber nicht ehebedingt gewesen sein, so dass der Pflichtige diese Vermutung nicht widderlegen kann. Der Unterhaltsanspruch ist auch dann gegeben, wenn die Ausbildung aus anderen Gründen, z.B. Erkrankung oder mangelndes Interesse, abgebrochen worden ist.
c) Erforderlichkeit der Ausbildung
Rz. 1354
Die Ausbildung muss notwendig sein, um dem Berechtigten eine angemessene Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Ein angestrebtes höheres Niveau als das während der Ehe gelebte Niveau unterliegt ebenso der Unterhaltsverpflichtung aus § 1575 BGB, wenn davon auszugehen ist, dass der Berechtigte ohne die Ehe die höhere berufliche Stellung erreicht hätte.
Rz. 1355
Nicht erforderlich ist eine Ausbildung, wenn der Berechtigte bereits einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachgeht und keine ehebedingten Nachteile in der Ausbildungsbiografie vorliegen.
Rz. 1356
Liegen keine Nachteile zum beruflichen Werdegang vor, kann deshalb auch die Aufnahme einer gänzlich unqualifizierten Arbeitstätigkeit angemessen und zumutbar sein, wenn sie den ehelichen Verhältnissen entspricht.
Die Notwendigkeit einer Angemessenheit der Ausbildung grenzt die erforderliche Ausbildung von der "Ausbildung zum Vergnügen" ab, die naturgemäß vom früheren Ehepartner nicht zu finanzieren ist.
Rz. 1357
Wer über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, die eine angemessene Erwerbstätigkeit ermöglicht, hat keinen Anspruch auf eine weitere (Zweit-)Ausbildung, auch wenn sie vor der Ehe konkret geplant war. Im Rahmen der – begrenzten – nachehelichen Solidarität schuldet der Verpflichtete nur eine einzige Ausbildung, die zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit zu führen in der Lage ist.