Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 868
Nach § 1933 BGB ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, "wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte". Dies führt bei der gesetzlichen Erbfolge zum Wegfall des Ehegattenerbrechts, im Falle der Errichtung von Testamenten (§§ 2268, 2077 BGB) allerdings nur dann, wenn sich nicht durch Auslegung etwas anderes ergibt.
a) Formelle Voraussetzungen: Rechtshängiges Scheidungsverfahren
Rz. 869
Zum Zeitpunkt des Todes muss ein Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht und/oder dem Scheidungsantrag des Ehegatten zugestimmt worden sein (§ 1566 Abs. 1 BGB) und es müssen die jeweiligen Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe zum Zeitpunkt des Todes vorgelegen haben.
aa) Erblasser ist Antragsteller
Rz. 870
Ist der Verstorbene der Antragsteller des Scheidungsverfahrens gewesen, muss das Verfahren, dies ist erste Voraussetzung, vor seinem Ableben rechtshängig geworden sein. Es muss also der Scheidungsantrag dem Ehegatten zugestellt worden sein, §§ 124, 133 FamFG i.V.m. § 253 ZPO. Die Einreichung – und auch Zustellung – lediglich eines auf ein Scheidungsverfahren bezogener Verfahrenskostenhilfeantrag reicht nicht aus. Mit der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe wird nur dieser Antrag, nicht der Sachantrag rechtshängig gemacht, auf den sich das Ersuchen bezieht.
Rz. 871
Zweite Voraussetzung ist die Erfüllung der formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 124, 133 FamFG. Dies bedeutet, dass zwingend bestimmte – formelle – Angaben im Scheidungsantrag enthalten sein müssen:
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Namen und Geburtsdaten der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder sowie die Mitteilung ihres gewöhnlichen Aufenthalts, § 133 Abs. 1 Ziff. 1 FamFG; |
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die Erklärung, ob die Ehegatten eine Regelung über die elterliche Sorge, den Umgang und die Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern sowie die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und an den Haushaltsgegenständen getroffen haben, § 133 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG; |
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die Angabe, ob Familiensachen, an denen beide Ehegatten beteiligt sind, anderweitig anhängig sind, § 133 Abs. 1 Ziff. 3 FamFG. |
Fehlen Erklärungen zu den drei notwendigen inhaltlichen Bereichen, ist der Scheidungsantrag unzulässig.
Rz. 872
Praxistipp
"Vergisst" der beauftragte Rechtsanwalt eine der Angaben und verstirbt sein beteiligter Ehegatte, haftet der Anwalt für die etwaigen erbrechtlichen Folgen der Säumnis.
Rz. 873
Beispiel
Ein reicher Unternehmer (80 Mio. EUR schwer) lernt auf dem Flug in die Schweiz eine Stewardess kennen, die er auf ihr Bitten spontan heiratet, bevor man sich näherkommt. Am nächsten Tag verstirbt er.
Folgen: Sie erbt insges. 40 Mio. EUR, 20 Mio. aus § 1931 Abs. 1 BGB, 20 Mio. aus § 1371 Abs. 1 BGB.
Abwandlung
Nach einiger Zeit versteht man sich nicht mehr. Es wird ein – zulässiger – Scheidungsantrag gestellt. Inzwischen hat er einen Zugewinn von 1 Mio. EUR erwirtschaftet.
Folgen
Ausschluss nach § 1933 BGB, Anspruch auf hälftigen Zugewinn, 500.000 EUR.
Rz. 874
Zwar hat das Gericht den Antragsteller auf eine unterbliebene Erklärung hinzuweisen, § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 139 Abs. 3 ZPO. Stirbt der Antragsteller jedoch vor der Nachholung, führt dies nicht mehr zur Heilung.
Rz. 875
Unzureichend ist es auch, wenn der Antragsteller zu § 133 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG vortragen lässt, die Beteiligten hätten sich "bis auf den Versorgungsausgleich über die Folgesachen geeinigt bzw. werden sich bis zur mündlichen Verhandlung geeinigt" haben. Der Grund liegt darin, dass das Gericht in solchen Fällen teilweiser Einigung den Beteiligten keine Hinweise auf Beratungsmöglichkeiten geben und auch nicht auf eine ausgewogene Scheidungsfolgenvereinbarung hinwirken kann.
Ausreichend ist aber im Scheidungsantrag der Satz: "Regelungen nach § 133 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG haben die Beteiligten nicht getroffen." Es geht nur um das "ob", nicht darum, "wie" eine Einigung inhaltlich aussieht.
Rz. 876
Dagegen ist die Einreichung der Heiratsurkunde und der Geburtsurkunden der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder nach § 133 Abs. 2 FamFG nicht zwingend erforderlich, um die formellen Voraussetzungen eines rechtshängigen Scheidungsverfahrens zu erfüllen, da Abs. 2 als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist und das Unterlassen deshalb nicht zur Unzulässigkeit des Scheidungsantrags führen kann.