Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 744
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Rechtsstellung des Sozialhilfeträgers |
Verbleibt der Unterhaltsanspruch aus den erörterten vorgenannten Gründen ausnahmsweise beim Leistungsberechtigten, ist der Sozialhilfeträger darauf beschränkt, den Berechtigten auf seine Ansprüche hinzuweisen und ihn bei deren Geltendmachung zu unterstützen. Er hat nicht zu prüfen, ob dieser Leistungsberechtigte Unterhaltsansprüche besitzt. Würde er dem Leistungsberechtigten vor Eingang von Unterhaltsnachzahlungen unter Verweisung auf den Grundsatz der Selbsthilfe für die Zukunft Sozialhilfeleistungen verweigern, wäre dies rechtsmissbräuchlich, weil damit der Schuldnerschutz des § 94 SGB XII unterlaufen würde.
Rz. 745
Eine Vereinbarung, durch die der Leistungsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch an den Sozialhilfeträger abtritt, wäre nach § 32 SGB I i.V.m. § 134 BGB nichtig, weil sie zum Nachteil des Leistungsberechtigten notwendig von den Vorschriften des SGB XII abweichen würden.
Die Abtretung des Unterhaltsanspruchs sollte dem Sozialhilfeträger eine Rechtsposition verschaffen, die er nach § 94 SGB XII in Fällen, in denen der Anspruchsübergang auf ihn ausgeschlossen ist oder nur eingeschränkt erfolgt, nicht erlangen könnte.
Rz. 746
Nach Eingang einer Unterhaltsnachzahlung beim Leistungsberechtigten kann der Sozialhilfeträger weder Rückzahlung der geleisteten Sozialhilfe noch Auskehrung des vereinnahmten Unterhalts an sich verlangen. Die Aufhebung der ergangenen Sozialhilfebescheide und die Rückforderung der geleisteten Sozialhilfe scheitert daran, dass die rechtmäßig ergangenen Bescheide durch die Unterhaltsnachzahlung nicht rechtswidrig werden und die Voraussetzung des § 47 SGB X für den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit nicht vorliegen.
Rz. 747
Eine Vereinbarung, in der sich der Leistungsberechtigte verpflichtet, vereinnahmten Unterhalt an den Sozialhilfeträger abzuführen, würde diese Sozialhilfeleistung im wirtschaftlichen Ergebnis unter Umgehung der Vorschriften, unter denen ausnahmsweise eine darlehensweise Gewährung gestattet ist, nachträglich in ein Darlehen umwandeln. Aus diesem sowie aus dem für die Nichtigkeit einer Abtretungsvereinbarung genannten Grund wäre sie nichtig. Allerdings kann der Sozialhilfeträger die Sozialhilfeleistungen im Hinblick auf die nach Eingang der Nachzahlung nicht mehr vorhandene Bedürftigkeit des Leistungsberechtigten mit sofortiger Wirkung einstellen.
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Rechtsstellung des Leistungsberechtigten |
Bezieht der Leistungsberechtigte Sozialhilfe und geht sein Unterhaltsanspruch gleich wohl ausnahmsweise nicht auf den Sozialhilfeträger über, ist umstritten, ob die Leistung insoweit seinen Unterhaltsbedarf deckt und damit seinen Unterhaltsanspruch in diesem Umfang zum Erlöschen bringt. Das Problem stellt sich insbesondere, wenn dem Unterhaltspflichtigen unterhaltsrechtlich ein fiktives Einkommen zugerechnet wird, er aber sozialhilferechtlich als bedürftig gilt, weil er nicht über sogenannte bereite Mittel verfügt.
Mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Sozialhilfeleistung hat sich der BGH in einem Fall von fiktivem Einkommen des unterhaltspflichtigen Berechtigten nicht gehindert gesehen, seinen Unterhaltsanspruch weiter zu verfolgen. Allerdings soll in Mangelfällen bei hohen, für den Unterhaltspflichtigen neben dem laufenden Unterhalt nicht zu bewältigenden Unterhaltsrückständen nach Treu und Glauben eine Ausnahme für den Zeitraum bis zur Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruches in Betracht kommen.
Dem ist zuzustimmen. Die Rechtsprechung des BGH trägt dem Nachrang der Sozialhilfe Rechnung und dient zugleich einem angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten selbst für den Fall, dass der Sozialhilfeträger den Unterhaltspflichtigen nach § 103 SGB XII wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung der Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten ausnahmsweise zum Kostenersatz heranziehen kann.
Rz. 748
Für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruches hindern in allen Fallgestaltungen, in denen der Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger gesetzlich ausgeschlossen oder eingeschränkt ist, Treu und Glaube den Leistungsberechtigten auch nach Bezug von Sozialhilfe nicht daran, diesen Anspruch geltend zu machen. Er kann sich, erst recht für die Zeit, in der noch keine Sozialhilfeleistungen geflossen sind, frei entscheiden, entweder gegen den Unterhaltspflichtigen vorzugehen oder sich mit Sozialhilfe zu begnügen.
Rz. 749
Eine Ausnahme gilt nur im Rahmen des Verwandtenunterhalts, wenn Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gewährt wird. Diese Leistungen gelten unterhaltsrechtlich als bedarfsdeckendes Einkommen des Leistungsberechtigten, weil § 43 Abs. 2 S. 1 SGB XII bei Prüfung von dessen Bedürftigkeit Einkommen und Vermögen seiner Verwandten nicht berücksichtigt, sofern deren jährliches Einkommen im Sinne von § 16 SGB IV (Gesamteinkommen i.S.d. deutschen Steuerrechts) einen Betrag von 100.000 EUR nicht übersteigt. Unterlassen es anspruchsberechtigte Verwandte, di...