Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1250
Geschuldet wird der volle eheangemessene Unterhalt (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Wird eine zumutbare Vollzeittätigkeit aus Gründen der Arbeitsmarktsituation nicht ausgeübt, geht der Berechtigte aber einer angemessenen Teilzeitbeschäftigung nach, beschränkt sich der Anspruch auf den durch die Teilzeittätigkeit noch nicht gedeckten vollen Unterhaltsbedarf.
Rz. 1251
In jedem Fall einer Differenz zum vollen Bedarf ist diese Differenz auszugleichen. Dies gilt auch, wenn der Berechtigte eine nicht angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, weil er aus Gründen der Arbeitsmarktsituation keine angemessene Beschäftigung gefunden hat.
Rz. 1252
Der Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB endet, wenn der Unterhaltsberechtigte die (erste) angemessene, zur Deckung des vollen Unterhalts ausreichende Erwerbstätigkeit nach der Scheidung gefunden hat.
Der Unterhaltsanspruch kann nach § 1573 Abs. 4 S. 1 BGB wieder aufleben, wenn die Einkünfte aus der angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, bevor sie nachhaltig gesichert waren im Sinne von § 1573 Abs. 4 BGB. Noch nicht nachhaltig gesichert ist der Unterhalt beispielsweise dann, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Verschulden des Berechtigten vom Arbeitgeber während der Probezeit gekündigt wird. Unverschuldet ist ein Verlust der Erwerbstätigkeit auch dann, wenn der Berechtigte einen Unfall erleidet, eine Krankheit auftritt, infolge Alters oder Insolvenz des Arbeitgebers der Arbeitsplatzverlust eintritt.
Rz. 1253
Praxistipp
Hinsichtlich einer Insolvenz des Arbeitgebers gilt jedoch: Auch bei einer kurzen Beschäftigungszeit kann der Unterhalt nachhaltig gesichert sein: Dies ist etwa der Fall, wenn der Bedürftige nach Abschluss eines langfristigen Arbeitsvertrages seine Stelle verliert, weil der Arbeitgeber unerwartet in Insolvenz gegangen ist.
Rz. 1254
Entfällt eine Erwerbstätigkeit durch eigenes Verschulden, beispielsweise durch eigene Kündigung des Berechtigten oder bei schuldhaft herbeigeführter Arbeitgeberkündigung, so lebt der Unterhaltsanspruch nicht wieder auf.
War dagegen der Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit noch nicht nachhaltig gesichert, war er also noch nicht endgültig in das Erwerbsleben eingegliedert, eröffnet § 1573 Abs. 4 BGB eine neue Einsatzzeit, an die sich auch ein Anschlussunterhalt anschließen kann. Diese Einsatzzeit beginnt mit dem Wegfall der ausgeübten Erwerbstätigkeit.
Hat eine solche Eingliederung in das Erwerbsleben allerdings stattgefunden, trägt der Berechtigte auch die Gefahr unvorhergesehener Ereignisse und Entwicklungen selbst. Der frühere Ehepartner haftet dann unterhaltsrechtlich nicht.
Rz. 1255
Einer Einzelfallbewertung unterliegt, ob bereits eine nachhaltige Unterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit vorliegt oder ob der Unterhalt noch nicht nachhaltig gesichert erschien. Entscheidend für die Beurteilung im Einzelfall ist eine "objektiviert vorausschauende Betrachtung". Entscheidend ist daher nicht, ob nach einer subjektiven Vorausschau zu Beginn der Erwerbstätigkeit eine nachhaltige Unterhaltssicherung erreicht zu sein schien.
Rz. 1256
Bei der gebotenen objektiven nach rückwärts gewandten Betrachtung sind diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die eventuell schon vorlagen, aber erst später zu Tage getreten sind. Spätestens bei einer Dauer der Erwerbsfähigkeit von zwei Jahren ist von einer nachhaltigen Unterhaltssicherung auszugehen. Regelmäßig wird man dies aber schon nach Ablauf der Probezeit bei Weiterbeschäftigung des Berechtigten annehmen können.
Rz. 1257
Dies gilt allerdings lediglich für unbefristete Arbeitsverhältnisse. Bei von vornherein zeitlich begrenzten Arbeitsplätzen liegt keine nachhaltige Sicherung des Unterhaltes vor.
Hat der Berechtigte die Erwerbstätigkeit bereits vor der Scheidung aufgenommen, ist die Frage nachhaltiger Unterhaltssicherung zum Zeitpunkt der Scheidung zu beurteilen.
Rz. 1258
Der Unterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB wird nur so lange geschuldet, bis der Berechtigte einen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden hat. Wie jeder nacheheliche Unterhaltsanspruch kann der auf § 1573 BGB beruhende Anspruch aber nach § 1578b BGB zeitlich begrenzt bzw. auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt werden.