Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 1403
Hat der Unterhaltsberechtigte für den anderen Ehepartner besondere Opfer erbracht, kann dies zu einem Unterhaltsanspruch nach § 1576 BGB führen.
Hierzu gehört etwa die Pflege von Angehörigen des anderen Ehepartners. Hat der Unterhaltsberechtigte etwa jahrelang Eltern des Ehegatten gepflegt, ist unabhängig von der Frage eines unbefristbar auszugleichenden ehebedingten Nachteils Billigkeitsunterhalt nach § 1576 BGB zu zahlen. Je größer das Opfer war, desto eher ist dem Verpflichteten eine nacheheliche Unterhaltslast zuzumuten.
Dasselbe gilt beim Aufbau der beruflichen Existenz des anderen Ehegatten.
Rz. 1404
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Betreuung eines nachehelich gemeinschaftlichen Kindes |
Wird ein gemeinsames Kind der Eheleute nach deren Scheidung geboren, scheidet ein Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB aus.
Grundsätzlich scheidet hier auch ein Anspruch nach § 1576 BGB aus.
Die betreuende Mutter hat den Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB.
Anderes gilt, wenn es sich zwar um ein biologisch, nicht aber rechtlich gemeinsames Kind handelt, weil es rechtlich als eheliches Kind eines früheren Ehemannes der Frau gilt. Hier kommt ein Anspruch nach § 1576 BGB in Betracht.
Rz. 1405
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Betreuung nicht gemeinschaftlicher Kinder |
Betreut der frühere Ehegatte nicht gemeinschaftliche Kinder, begründet dies grundsätzlich keinen Unterhaltsanspruch nach § 1576 BGB. Betreuungsunterhaltsansprüche nach § 1570 BGB sind grundsätzlich auf gemeinschaftliche Kinder beschränkt.
Es müssen in solchen Fällen besondere Umstände hinzutreten, durch die ein besonderer Vertrauenstatbestand für den Bedürftigen Ehegatten geschaffen wurde.
Rz. 1406
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Unterhalt nach § 1576 BGB können jedoch vorliegen, wenn der geschiedene Ehegatte nach der Scheidung weiterhin ein gemeinschaftlich aufgenommenes Pflegekind betreut.
Aufgrund der gemeinsam übernommenen Verantwortung für das auf Dauer zur Familie genommene Kind legt ein Anspruch nach § 1576 BGB nahe. Dies gilt insbesondere, wenn das Kind in jungem Alter aufgenommen wurde oder es unabhängig von seinem Alter nachhaltig in seinem neuen Lebenskreis eingegliedert ist.
Bei der Einzelfallprüfung ist der Abwägung namentlich das Wohl des Kindes mit besonderem Gewicht zu prüfen.
Rz. 1407
Dies gilt nicht, wenn das Pflegekind nicht gemeinschaftlich aufgenommen wurde, sondern nur vom Unterhaltsgläubiger mit Zustimmung des anderen Ehegatten.
Gleichwohl kommt bei der Einzelfallprüfung dem Kindeswohl eine besondere Bedeutung zu. Eine Rolle spielen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse und ein etwaiger Vertrauenstatbestand, der mit der Zustimmung geschaffen worden ist.
Rz. 1408
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Betreuung eines Enkelkindes |
Die Pflege und Erziehung eines Enkelkindes der Ehegatten, dessen Eltern für die Betreuung ausscheiden, kann einen Anspruch nach § 1576 BGB begründen.
Rz. 1409
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Betreuung eines Stiefkindes |
Hinsichtlich der Betreuung eines Stiefkindes ist zu unterscheiden:
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Stiefkind des Berechtigten |
Hat im Haushalt der Eheleute das leibliche Kind des Unterhaltspflichtigen gelebt und betreut der Berechtigte das Kind nach der Trennung und dem Auszug des Pflichtigen das Kind weiter, ist grundsätzlich ein Anspruch nach § 1576 BGB gegeben.
Es handelt sich dann um eine besondere Leistung gerade für den verpflichteten Ehegatte.
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Stiefkind des Pflichtigen |
Betreut der Unterhaltsberechtigte sein leibliches Kind aus einer früheren Beziehung, das während der Ehe mit Einwilligung des anderen Ehegatten in den häuslichen Haushalt mit aufgenommen wurde, kann nur dann ein Anspruch nach § 1576 BGB bestehen, wenn, so der BGH, "gewichtige besondere Umstände hinzutreten". Bei der Bewertung dieser gewichtigen besonderen Umstände ist allerdings auch das Kindeswohl als ein bedeutender Umstand in die Einzelfallbetrachtung mit aufzunehmen.
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Betreuung von "Ehebruchskindern" |
In der Regel ist die grobe Unbilligkeit als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 1576 BGB zu verneinen, wenn die Unterhaltsbedürftigkeit auf ehewidrigem Verhalten beruht, gleichgültig, ob es die Schwangerschaft und die Geburt des Kindes eines Dritten war, die zum Zerbrechen der Ehe geführt haben.
Rz. 1410
Anderes kann aber gelten, wenn der Ehemann im Wissen um seine fehlende biologische Vaterschaft der Aufgabe der Erwerbstätigkeit durch die Mutter wegen der Betreuung dieses Kindes zugestimmt und sich mit der Aufnahme in seinem Haushalt einverstanden erklärt oder abgefunden hatte.
Rz. 1411
Nach Auffassung des OLG Frankfurt gilt dies auch, wenn der auf Unterhalt in Anspruch genommene Ehegatte selbst Ehebruch begangen hatte und die Ehefrau, die nach einem Ehebruch schwanger geworden war, von einem Schwangerschaftsabbruch abgehalten und damit den Eindruck erweckt hatte, er wolle das von ihr ausgetragene nicht gemeinsame Kind akzeptieren und die Ehe mit ihr fortsetzen.
Rz. 1412
§ 1576 BGB ist als Auffangtatbestand gegenüber §§ 1570 bis 1572, 1575 BGB s...