Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
a) Abgrenzung der prägenden zu nicht prägenden Einkünften
Rz. 1518
Ob Einkünfte, die (frühere) Ehegatten erzielen, zur Berechnung von Unterhaltsansprüchen herangezogen werden, beurteilt sich danach, ob sie hinsichtlich der Ehe sogenannten prägenden Charakter tragen.
Rz. 1519
Ein solcher prägender Charakter liegt vor, wenn die konkrete Einkunftsquelle in der Ehe vorhanden war oder in der Ehe angelegt war. Dies gilt auch für ihre normale Fortentwicklung. Auch ein Surrogat der gleichwertigen Familienarbeit trägt den eheprägenden Charakter.
Rz. 1520
Dies führt dazu, dass nicht nur die aus der Berufstätigkeit während der Ehe erzielten Einkünfte zu berücksichtigen sind, sondern auch die der Erwerbstätigkeit gleichwertige Familienarbeit (Haushaltsführung und Kinderbetreuung). Nimmt also der Haushalt führende Ehegatte nach Trennung bzw. Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf oder erweitert er eine Teilzeittätigkeit, stellt das Einkommen hieraus das Surrogat der bisherigen Familienarbeit dar und erhöht entsprechend das Einkommen nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
Der Wert der Haushaltsleistung spiegelt sich dann als Surrogat in dem daraus erzielten Einkommen wider und erhöht das Einkommen nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
Rz. 1521
Über Erwerbseinkommen hinaus sind vorhandene Vermögenseinkünfte ebenfalls eheprägend. Dies ist der Fall, wenn die Einkommensquelle bereits in der Ehe bestand, z.B. bei Zinseinkünften aus Kapitaleinkünften und Einkünften aus Vermietung/Verpachtung oder bei Vermögenseinkünften aus Veräußerung des Familienheims oder aus dem Zugewinnausgleich.
b) Überblick zu den prägenden und nicht prägenden Einkünften
Rz. 1522
In der Ehe angelegte sind folgende Einkünfte:
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Einkünfte, die bei Trennung als die Ehe prägend beurteilt werden können; |
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Einkommensänderungen, wenn die Einkommensentwicklung nach Trennung/Scheidung einem Normalverlauf entspricht. Dies gilt für Gehaltsreduzierungen und -steigerungen sowie (zu erwartenden) Beförderungen, nicht jedoch für Reduzierungen bei unterhaltsbezogener Leichtfertigkeit wie freiwilliger Arbeitszeitreduzierung oder leichtfertiger Kündigung. Unterhaltsbezogen nicht leichtfertig ist die unverschuldete Arbeitslosigkeit, die Verrentung bzw. Pensionierung oder der Erhalt von Kurzarbeitergeld, es sei denn, die Einkommensminderung hätte durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können; |
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nach der Trennung erstmalig erzielte Erwerbseinkünfte, die als Surrogat der Haushaltsführung in der Ehe anzusehen sind; |
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fiktive Einkünfte wegen Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit; |
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Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit nach Abzug eines anrechnungsfreien Betrages. Dies betrifft beim Bedürftigen z.B. die vollzeitliche Tätigkeit trotz Betreuung eines Kleinkindes oder die Berufstätigkeit trotz Betreuung eines behinderten Kindes und die Berufstätigkeit über den Regelaltersruhestand hinaus. Beim Bedürftigen erfolgt der Abzug nach § 1577 Abs. 2 BGB, beim Pflichtigen nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalles; |
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Einkommen des Bedürftigen aus Haushaltsführung für einen neuen Lebenspartner; |
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Renteneinkommen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Rente auf einer Berufstätigkeit vor, in oder nach der Ehe oder auf den Versorgungsausgleich beruht und auch nicht darauf, ob es sich um eine Alters- oder Erwerbsminderungsrente handelt und schließlich auch nicht darauf, ob der Rentenfall zum Zeitpunkt der Scheidung bereits eingetreten war; |
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Vermögenseinkünfte, die bereits in der Ehe vorhanden waren oder nach einer Vermögensumschichtung als Surrogat von in der Ehe vorhandenem Einkommen anzusehen sind, z.B. also Zinsen aus dem Verkaufserlös des Familienheims, die an die Stelle des früheren Wohnwertes treten. |
Rz. 1523
Nicht in der Ehe angelegte Einkünfte sind:
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Erwerbseinkünfte, die auf eine unerwartete, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruhen (sog. Karrieresprung); |
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Vermögenseinkünfte, die erst nach der Trennung neu entstehen und kein Surrogat zuvor vorhandener Vermögenseinkünfte oder zuvor vorhandenen Vermögens darstellt; |
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Zinseinkünfte bei ungewöhnlich guten Einkommensverhältnissen, die für den allgemeinen Lebensbedarf nicht benötigt werden, der Vermögensbildung dienen und deshalb der Unterhaltsbemessung entzogen sind. Dies ist in der Regel dann erst der Fall, wenn bei einer konkreten Bedarfsbemessung die Zinseinkünfte nicht benötigt werden; |
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ersparte Aufwendungen durch Zusammenleben in einer neuen Ehe oder neuen Partnerschaft. Das Zusammenleben in einer neuen Ehe oder neuen Partnerschaft ist gerade nicht in der Ehe angelegt. Die Ersparnis im Zusammenleben des Pflichtigen mit einem neuen Lebensgefährten ist in der Regel analog § 20 Abs. 3 SGB II für jeden der Zusammenlebenden mit 10 % zu veranschlagen, d.h. für beide 20 %. In Regionen mit höheren Wohnkosten können 20 % pro Person angesetzt werden. |