Rz. 1150

Der Grundsatz der Eigenverantwortung hat zur Folge, dass ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt regelmäßig nur dann gegeben ist, wenn ab Rechtskraft der Scheidung ohne zeitliche Lücke ein Unterhaltstatbestand vorlag. Ansonsten ist der Unterhaltsanspruch erloschen.

 

Rz. 1151

Der Einsatzpunkt ergibt sich für die einzelnen Unterhaltstatbestände, wie sie in §§ 1571, 1572, 1573 Abs. 3 BGB neben der Scheidung angeführt sind. Damit wird sichergestellt, dass für die Unterhaltsleistungen ein zeitlicher, persönlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Ehe bestehen muss.[1189]

 

Rz. 1152

Für die Einsatzzeiten müssen die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

Die Unterhaltskette entfällt nicht,

wenn der Berechtigte erst nachträglich bedürftig wird[1190] oder
der Unterhaltsanspruch an der Leistungsunfähigkeit des Pflichtigen scheitert.
 

Rz. 1153

Die Vorschriften über Unterhaltsansprüche wegen Alters nach § 1571 BGB und wegen Krankheit oder Gebrechen nach § 1572 BGB beziehen sich in ihren Voraussetzungen im Gesetzestext auf bestimmte Zeitpunkte zu denen konkrete Voraussetzungen vorliegen müssen.

 

Rz. 1154

Der Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB wegen Kindesbetreuung nennt keinen Einsatzzeitpunkt.

Der Anspruch entsteht, wenn wegen Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur teilweise ausgeübt werden kann. Die Notwendigkeit der Kindesbetreuung muss auch nicht im Zeitpunkt der Scheidung oder zu einem sonstigen bestimmten Einsatzzeitpunkt bestehen. Die Notwendigkeit kann später eintreten, kann – auch zeitweise – wegfallen und wieder aufleben.

 

Rz. 1155

Die Einsatzzeit, die auf eine notwendige Kindesbetreuung ausgerichtet ist, endet dabei nicht mit der Volljährigkeit des jüngsten Kindes, sondern gem. der Neufassung des § 1570 BGB durch die Unterhaltsreform zum 1.1.2008 ab dem Zeitpunkt, ab dem der Bedürftige unter Berücksichtigung der bestehenden Betreuungsmöglichkeiten ganztags arbeiten kann. Nach früherer Rechtsprechung war dies spätestens mit dem 15. oder 16. Lebensjahr des jüngsten Kindes der Fall.[1191]

 

Rz. 1156

Hinsichtlich eines Einsatzzeitpunkts betreffend Betreuungsunterhalt lässt der Wortlaut des § 1570 Abs. 1 S. 2 und S. 3 BGB ein Missverständnis zu: Die Vorschriften regeln nach dem Wortlaut eine Verlängerung der Dauer des Unterhaltsanspruchs.

Gemeint ist damit lediglich, dass Kindesbetreuung und damit die Zahlung von Unterhalt aus kindbezogenen Gründen auch nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes erstmals überhaupt eintreten kann. Dies ist bei Wegfall einer Betreuungsmöglichkeit der Fall oder wenn das Kind erkrankt, pflegebedürftig wird oder aus sonstigen kindbezogenen Umständen die Erwerbstätigkeit eingeschränkt oder eingestellt werden muss.

 

Rz. 1157

Ein Unterhaltsanspruch kann daher auch nach Ablauf des dritten Lebensjahres des Kindes gem. § 1570 Abs. 1 S. 2 und S. 3 BGB erstmals entstehen und wieder aufleben. Dies war im Übrigen bereits nach der vor dem 1.1.2008 geltenden Rechtslage so.[1192] Der Gesetzgeber hat diese Situation nicht verändert.

Namentlich stellt der verlängerte Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und S. 3 BGB keinen Anschlussunterhaltstatbestand dar.

 

Rz. 1158

Dagegen stellt die Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs aus elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB einen Anschlussunterhalt dar. Es handelt sich um einen Unterhaltsanspruch, der Billigkeitsvoraussetzungen enthält. Er entsteht, wenn ein Betreuungsunterhaltsanspruch unter Berücksichtigung der Gestaltung der Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht. Dies führt dazu, dass die Billigkeitsvoraussetzungen für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs aus elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt der Scheidung vorgelegen haben müssen.

Ein weiterer möglicher Einsatzzeitpunkt ist lediglich später der Wegfall der kindbezogenen Gründe nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und S. 3 BGB.

[1189] OLG Stuttgart FamRZ 1982, 1015; OLG Bamberg FamRZ 1984, 997; FA-FamR/Mayer, 6. Kap. Rn 472.
[1190] OLG München FamRZ 1993, 564.
[1191] Zur Ablehnung des Altersphasenmodells vgl. BGH FamRZ 2009, 770; BGH FamRZ 2009, 1391; BGH FamRZ 2010, 1880; anders noch die Leitlinien des OLG Hamm, Stand 1.1.2011 Ziff. 17.1.
[1192] Vgl. BT-Drucks 7/650, S. 122.

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