Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 2104
Bei der Frage nach der Möglichkeit des Verzichts auf einzelne Unterhaltstatbestände außerhalb des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB ist von der vom BGH entwickelten Kernbereichslehre auszugehen.
Da die übrigen sechs Unterhaltstatbestände nicht die Rechte des Kindes zum Inhalt haben, ist dieses Thema anhand der Grundsätze der unangemessenen Benachteiligung durch den Ehevertrag oder die Scheidungsvereinbarung zu behandeln.
Rz. 2105
Hinsichtlich der objektiven Seite ist zwischen den gesetzlichen Ansprüchen und der geplanten oder vorliegenden Regelungen zu vergleichen. Beim Altersunterhalt macht es z.B. einen Unterschied, ob der Unterhaltsberechtigte im Alter eine angemessene Rente zu erwarten hat oder eben nicht.
Auch das Alter, in dem die Ehegatten heiraten, kann von erheblicher Bedeutung sein: Bei Eheschließung in "vorgerücktem Alter" ist i.d.R. Versorgungsvermögen schon zu einem erheblichen Teil entstanden, so dass ein Verzicht auf den Vorsorgeunterhalt und ebenso auf den Versorgungsausgleich ungleich unproblematischer ist als in anderen Fällen.
Rz. 2106
Bei der Beurteilung der subjektiven Seite wird man neben der persönlichen Bedeutung des Verzichts den Kernbereich betrachten müssen. Bei hochrangigen Unterhaltstatbeständen wie dem Alters- und Krankenunterhalt muss auf die subjektive Seite besonderes Gewicht gelegt werden. Beim Aufstockungsunterhalt – soweit er nicht im Anschluss an die Kinderbetreuung in Frage kommt – und beim Ausbildungsunterhalt wird die subjektive Seite weniger gewichtig sein.
Rz. 2107
Hinweis
Je gewichtiger der Verzicht und je höherstufiger der Unterhaltstatbestand ist, auf den verzichtet wird, umso mehr ist die subjektive Seite zu beachten.
Rz. 2108
Zum Unterhalt wegen Krankheit (§ 1572 BGB) gilt insbesondere:
Ist der Ehegatte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages bereits krank, verschlimmert sich seine Krankheit bis zur Scheidung nicht oder bringt die Krankheit während dieser Zeit keine größere Unterhaltsbedürftigkeit mit sich, ist, so der BGH, ein ehevertraglicher Unterhaltsverzicht nicht zu beanstanden, weder im Wege der Bestandskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB noch der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB.
Liegt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Möglichkeit nicht fern, dass der Ehegatte sich nach der Scheidung aus Krankheitsgründen nicht selbst werde unterhalten können, ist der ehevertragliche Verzicht im Wege der Bedarfskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB zu beanstanden. Es kann aber auch eine Beanstandung im Wege der Ausübungskontrolle in Betracht kommen.
Rz. 2109
Im Umkehrschluss zum genannten Urteil des BGH ist zu folgern: Besteht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Anhaltspunkt dafür, der Ehegatte werde sich bei der Scheidung aus Krankheitsgründen nicht selbst unterhalten können, ist der Verzicht nicht im Wege der Bestandskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB zu beanstanden. Eine Beanstandung im Wege der Ausübungskontrolle dürfte aber möglich sein, wie sie in einem Fall mit Globalverzicht das OLG Koblenz vorgenommen hat.
Rz. 2110
Für Befristungen des Aufstockungsunterhalts gelten die Maßstäbe des mit dem UÄndG eingeführten § 1578b BGB mit seinen umfangreichen Einschränkungsmöglichkeiten, insbesondere unter Berücksichtigung ehebedingter Nachteile.