Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 456
In Ausnahme des Unterhaltsverlangens nach § 1361 Abs. 1 BGB kann der nicht erwerbstätige Ehegatte nach § 1361 Abs. 2 BGB eventuell auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden, die er früher ausgeübt hat.
Rz. 457
Hinsichtlich einer solchen früheren Erwerbstätigkeit ist konkret zu prüfen, ob sie während des Trennungszeitraums zumutbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, wie lange sie zurückliegt, ob sie dem zwischenzeitlich erreichten sozialen Status der Ehe noch entspricht und wie lange im Übrigen die Ehe bereits gedauert hat.
Rz. 458
Nach Scheidung der Ehe wird gem. § 1574 Abs. 2 BGB eine "frühere Erwerbstätigkeit" des geschiedenen Ehegatten grundsätzlich als angemessen beurteilt. Die voreheliche Berufstätigkeit wird in die Gesamtwürdigung einbezogen. Dies hat Ausstrahlungswirkung für den Trennungsunterhalt.
Rz. 459
Gleichwohl ist das höhere Maß an Rücksichtnahme aufgrund noch bestehender Ehe zu bewerten. Es ist zu unterscheiden, ob es sich um eine frühere Tätigkeit vor Eheschließung handelt oder ob es um die Frage der Zumutbarkeit einer Fortsetzung der während des ehelichen Zusammenlebens ausgeübten Erwerbstätigkeit nach den "Erwerbsverhältnissen der Ehegatten" (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB) geht.
Rz. 460
Regelmäßig ist dem getrenntlebenden Ehegatten die Fortsetzung der während des Zusammenlebens ausgeübten Erwerbstätigkeit im bisherigen Umfang zumutbar. Anders ist die frühere Tätigkeit zu beurteilen, wenn sie vor Eheschließung erfolgt ist. Die Angemessenheit hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände, von Ausbildung, Lebensalter und Fähigkeiten des Ehegatten ab.
Hat etwa der Ehegatte eine Ausbildung vor Jahrzehnten abgeschlossen und während der langjährigen Ehe niemals ausgeübt, wird hierauf nicht abzustellen sein, sondern ausschließlich auf den letztlich in der Ehe ausgeübten Beruf.
Rz. 461
Ob die Ausübung einer früheren Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die Lebensverhältnisse (§ 1574 Abs. 2 S. 2 BGB) als unangemessen, unbillig zu beurteilen ist, entscheidet sich im Einzelfall.
So hat der BGH es für angemessen gehalten, dass zu einer angemessenen früheren Erwerbstätigkeit auch die Arbeit in der Praxis des Mannes zählen kann. Auch bei langjähriger Arbeitsunterbrechung und entsprechender früherer Tätigkeit kann eine Betätigung im Bereich der Raumpflege ebenso angemessen sein.
Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob dem getrenntlebenden Ehegatten die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit zuzumuten ist, die zusätzlich anhand der ehelichen Lebensverhältnisse darauf zu prüfen ist, ob ihre Ausübung im Hinblick auf die ehelichen Verhältnisse aus Billigkeitsgründen ausscheidet.
Rz. 462
Für die Umstände, die für die Berufstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten sprechen, ist der unterhaltspflichtige Ehegatte darlegungs- und beweispflichtig, da § 1361 Abs. 2 BGB als Ausnahme zum Unterhaltsanspruch nach § 1361 Abs. 1 BGB konstruiert ist. Damit soll der getrenntlebende Ehegatte vor der Scheidung vor einem unangemessenen sozialen Abstieg bewahrt werden.