Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 413
Wer nach Trennung nicht in der Lage ist, seinen nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt selbst aufzubringen, kann vom anderen Ehegatten Trennungsunterhalt verlangen, § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB.
Reichen die Eigenmittel also zum eheangemessenen Unterhalt aus, fehlt es an der Bedürftigkeit des Ehegatten. Es kommt dann auf die Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten nicht (mehr) an.
1. Zeitpunkt der Erwerbsobliegenheit nach der Trennung
Rz. 414
Gem. § 1569 S. 1 BGB obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Dies gilt allerdings nach der Vorschrift ausschließlich für die Zeit nach der Scheidung.
Für die Zeit der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung kann der bei Trennung nicht oder nicht in vollem Umfange erwerbstätige Ehegatte gem. § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit sicherzustellen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Damit soll der Möglichkeit einer Versöhnung der Ehegatten Rechnung getragen werden. Diese Möglichkeit der Versöhnung besteht naturgemäß nur während einer Übergangszeit.
Rz. 415
Einerseits ist damit Ziel des § 1361 BGB, den Ehegatten nach der Trennung vor einer einschneidenden Verschlechterung der Verhältnisse zu schützen. Je mehr sich allerdings die Trennung verfestigt, desto eher entfällt auch die innere Rechtfertigung, eine während gelebter Ehe gewählte Funktionseinteilung der Ehepartner durch Zahlung von Trennungsunterhalt aufrecht zu erhalten.
So muss zu den jeweiligen Zeitpunkten einer Trennungszeit unter Berücksichtigung aller maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen werden, ob die Aufrechterhaltung des Zustandes während der Eheführung noch der konkreten Situation gerecht wird.
Rz. 416
Für die Bestimmung und Bewertung der persönlichen Verhältnisse nach § 1361 Abs. 2 BGB, die über Grund und Höhe der Zahlung von Trennungsunterhalt entscheiden, sind ergänzend die Vorschriften zu den nachehelichen Unterhaltsansprüchen gem. §§ 1569 ff. BGB heranzuziehen.
Dies erfolgt in zweierlei Richtung: Zum einen dürfen Ehegatten nach der Trennung nicht schlechter gestellt werden, als sie nach der Scheidung stehen würden. Deshalb können im Einzelfall die Tatbestände des nachehelichen Unterhalts Maßstäbe für die Anwendung des § 1361 Abs. 2 BGB liefern. Die gesteigerte Verantwortung der Ehegatten während des Bestehens der Ehe führt zum anderen allerdings dazu, dass der nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätige Ehegatte gem. § 1361 Abs. 2 BGB nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen darauf verwiesen werden kann, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, als dies gem. § 1574 BGB nach der Scheidung der Fall ist.
Die Übergangszeit, also diejenige Zeit, in der die beteiligten Eheleute klären müssen, ob sich die Trennung vertieft und in eine Scheidung mündet oder ob die Ehe wieder aufgenommen werden kann, dauert mindestens ein Jahr.
Rz. 417
Bis auf den Ausnahmefall, dass die Fortsetzung der Ehe für einen Ehegatten aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 1565 Abs. 2 BGB) geht das Gesetz davon aus, dass das Scheitern einer Ehe nicht vor Ablauf eines Jahres der Trennung festgestellt werden kann (§ 1565 Abs. 1, Abs. 2 BGB).
Diese Jahresfrist kann daher als Klärungszeit angenommen werden. Während dieser Klärungszeit ist eine zumindest nachhaltige Veränderung der Lebenssituation der Ehegatten nicht erforderlich, um die Möglichkeit einer Versöhnung nicht zu erschweren.
Vor Ablauf des Trennungsjahres wird vom Haushalt führenden Ehegatten daher keine Aufnahme oder ggf. Ausweitung einer Erwerbstätigkeit erwartet werden können.
Rz. 418
Normzweck des § 1361 BGB bleibt jedoch, das endgültige Scheitern der Ehe nicht zu fördern. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann die Erwerbsobliegenheit daher später oder auch früher als ein Jahr nach vollzogener Trennung der Beteiligten einsetzen.
Rz. 419
Wesentliches Kriterium in diesem Zusammenhang kann die Dauer der Ehe und die wirtschaftliche Verflechtung der Eheleute sein. So wird man bei kurzer Ehedauer, jungem Alter der Ehegatten und kinderloser Ehe eine Erwerbsobliegenheit zu einem früheren Zeitpunkt sehen als bei einer Ehe langer Dauer mit einem ausschließlich den Haushalt führenden Ehegatten.
Grundsätzlich gilt aber, dass das Verhältnis der Ehegatten während der Trennungszeit noch durch die eheliche Bindung getragen ist. Grundsätzlich tragen die Ehegatten während der Ehe mehr Verantwortung füreinander als nach der Scheidung. Insofern verpflichtet die Tatsache des noch miteinander Verheiratetseins zu einem höheren Maß an Rücksichtnahme auf die Interessen des jeweils anderen, als dies nach der Sch...