Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
1. Vermögensverwertung, § 1577 Abs. 3 BGB
Rz. 1794
Grundsätzlich könnte der Berechtigte durch die Verwertung vorhandenen Vermögens seinen Bedarf decken, bis es verbraucht ist. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Unterhaltsgläubiger nicht bedürftig. Diese Bedürftigkeit entsteht grundsätzlich erst dann, wenn er sein gesamtes Vermögen verbraucht hat.
Rz. 1795
Er muss jedoch nach § 1577 Abs. 3 BGB den Stamm seines Vermögens dann nicht verwerten, wenn die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.
Rz. 1796
Vermögen nach § 1577 Abs. 3 ist das gesamte Aktivvermögen des Berechtigten, also auch Vermögenswerte, die erst nach der Trennung oder Scheidung entstanden oder dem Berechtigten zugeflossen sind. Dies betrifft eine Erbschaft ebenso wie Schenkungen, den Veräußerungserlös eines früheren gemeinschaftlichen Hauses oder Vermögensbildung nach der Scheidung.
Rz. 1797
Auch wenn Vermögen im Grundsatz dazu dienen soll, den Unterhalt des Berechtigten ergänzend zu dessen sonstigen Einkünften auf Lebenszeit zu sichern, muss der Berechtigte das Vermögen doch verwerten und für Unterhaltszwecke verwenden, es sei denn, die Verwertung ist unwirtschaftlich und/oder unbillig. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, besteht eine Verwertungsobliegenheit.
Rz. 1798
Auch wenn das Vermögen dazu dienen soll, den Unterhalt des Berechtigten auf Lebenszeit zu sichern, darf nicht zu Lasten des Verpflichteten versucht werden, das Vermögen für Erben zu erhalten.
Rz. 1799
Unwirtschaftlich ist eine Vermögensverwertung, wenn der Berechtigte aus dem Vermögen Erträge erzielt, die seinen Unterhaltsanspruch mindern. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Erträge in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert des dafür eingesetzten Vermögens stehen.
Rz. 1800
Der Verkauf eines Eigenheims ist deshalb wirtschaftlich vorzunehmen, wenn eine entsprechende Mietwohnung auf Dauer billiger wäre als der Wert des Wohnvorteils. Umgekehrt ist es unwirtschaftlich, den Verkauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung vorzunehmen, wenn eine Miete den Berechtigten höher belasten würde.
Rz. 1801
Unwirtschaftlich kann die Verwertung eines Barvermögens in der Regel nicht sein. Erzielt der Berechtigte allerdings keine eigenen Erwerbseinkünfte, ist ihm zumindest eine "Reserve" als Notgroschen für Notfälle zu belassen. Zumutbar kann auch die Geltendmachung eines Pflichtteils sein.
Rz. 1802
Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit oder Unbilligkeit einer Vermögensverwertung ergibt, trifft den Berechtigten.
2. Unterhaltssicherung durch Vermögen
Rz. 1803
Die Vorschrift über die nachhaltige Unterhaltssicherung durch Vermögen nach § 1577 Abs. 4 BGB regelt den Sonderfall, dass zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu erwarten war, dass der Unterhalt des Berechtigten aus dessen Vermögen nachhaltig gesichert ist. In solchem Fall bestand kein Unterhaltsanspruch, § 1577 Abs. 4 Satz 1 BGB. Fällt das Vermögen später, sei es verschuldet oder unverschuldet, weg, bleibt der Anspruch erloschen, da zunächst eine nachhaltige Unterhaltssicherung vorhanden war.
Rz. 1804
Die nachhaltige Sicherung zum Zeitpunkt der Ehescheidung ist dann vorhanden, wenn die bei Ehescheidung vorhandenen Umstände die Prognose rechtfertigen, das Vermögen genüge nach seiner Höhe und Werthaltigkeit, um den Unterhaltsbedarf dauerhaft zu decken.
Rz. 1805
Lagen zum Zeitpunkt der Ehescheidung Umstände vor, die vorhanden waren, aber erst durch eine rückwärtsgewandte Beurteilung (ex-ante-Beurteilung) bekannt geworden sind, findet eine Berücksichtigung statt.
Rz. 1806
Grundsätzlich lebt daher ein Unterhaltsanspruch auch bei Wegfall/Verbrauch des Vermögens nicht wieder auf.
Ausnahmsweise entsteht jedoch nach § 1577 Abs. 4 Satz 2 BGB gleichwohl ein neuer Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB, wenn im Zeitpunkt des Vermögensverlustes wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes keine Erwerbstätigkeit vom Unterhaltsgläubiger erwartet werden kann. Da der Grund für das Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs in der fortwirkenden gemeinsamen Elternverantwortung liegt, werden nicht erneut Anschlusstatbestände nach §§ 1571 ff. BGB in Betracht kommen können.
Zwischen alters- oder krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit und Zeiten der Kinderbetreuung besteht kein zwingender Kausalzusammenhang.