Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 756
Im Rahmen des Trennungsunterhalts darf die wirtschaftliche Grundlage der ehelichen Gemeinschaft zunächst noch nicht beeinträchtigt werden. Es muss offengehalten werden, ob die Ehegatten wieder zu ihrer ehelichen Gemeinschaft zurückfinden. Insgesamt besteht zwischen den Eheleuten während der Trennungszeit eine erheblich stärkere Verantwortung füreinander als nach der Scheidung.
Rz. 757
Grundsätzlich gilt zwar, dass eine Pflicht zur Verwertung des Vermögensstammes aus § 1361 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ergeben kann, wenn der Unterhalt des Berechtigten nicht aus den Vermögenseinkünften, wohl aber aus dem Stamm seines Vermögens bestritten werden kann. Diese Verpflichtung geht allerdings wegen der stärkeren Verantwortung der Eheleute füreinander weniger weit als beim Scheidungsunterhalt, bei dem jeder der beiden früheren Ehepartner im Grundsatz selbst für seinen Unterhalt zu sorgen hat, § 1569 Abs. 1 S. 1 BGB.
Rz. 758
Haben Eheleute während bestehender Ehe bereits Teile des Vermögensstammes verwertet, um wirtschaftlich den gemeinsamen Unterhalt zu decken, besteht die Verpflichtung auch nach Trennung der Ehepartner voneinander.
Rz. 759
Allerdings tritt grundsätzlich mit der Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ein. Die Verpflichtung nach § 1360 BGB, die Familie angemessen zu unterhalten, besteht nicht mehr. Es wird Trennungsunterhalt als Barunterhalt eines jeden Ehegatten geschuldet. Insoweit unterscheiden sich die Ansprüche auf Familienunterhalt und Trennungsunterhalt grundsätzlich. Ein früherer gemeinsamer Lebensplan hinsichtlich einer Nichtverwertung des Vermögensstammes ist daher bei der gebotenen Billigkeitsabwägung nur einer von mehreren Umständen.
Rz. 760
Insgesamt sind für die Billigkeitsabwägung zur Verpflichtung der Verwertung eines Vermögensstammes bei dem Unterhaltsberechtigten folgende Umstände von Bedeutung:
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Früherer gemeinsamer Lebensplan bzgl. der (Nicht-)Verwertung des Vermögensstammes; |
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Höhe des dem Berechtigten zur Verfügung stehenden Vermögens; |
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Einkommens- und Vermögensverhältnis des Unterhaltspflichtigen; |
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Dauer des Getrenntlebens und Verfestigung der Trennung; |
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Kürze/Länge der Ehezeit. |
Rz. 761
Diese Grundsätze gelten regelmäßig in gleicher Weise für die Frage, ob der Unterhaltspflichtige seinen Vermögensstamm beim Trennungsunterhalt oder bei der Frage des nachehelichen Unterhalts verwerten muss. Allerdings legt die besondere Verbundenheit, von der das Verhältnis der Ehegatten noch während der Trennungszeit geprägt ist, dem Unterhaltsberechtigten während des Getrenntlebens ein höheres Maß an Rücksichtnahme auf die Interessen des Unterhaltspflichtigen auf, als dies nach der Scheidung der Fall ist. Dies kann dazu führen, dass dem Unterhaltspflichtigen die Verwertung seines Vermögens während der Trennungszeit (noch) nicht zuzumuten ist.
Rz. 762
Entscheidend in der Abwägung sind die folgenden Elemente:
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Die stärkere Verantwortung der Eheleute füreinander als nach Scheidung der Ehe; |
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ein höheres Maß an Rücksichtnahme auf beiderseitige Interessen; |
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möglichst wenige Änderungen der Lebensverhältnisse im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe; |
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Dauer der Trennung, weil bei kurzer Trennung eher die Aussicht auf Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht. |
Rz. 763
In einer solchen Abwägung wäre dem Unterhaltspflichtigen eine Vermögensverwertung dann nicht zuzumuten, wenn damit die gemeinsame Lebensplanung und die gemeinsame Lebensgrundlage im Falle einer Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft gefährdet wären. Ebenso wenig ist eine Vermögensverwertung zu verlangen, die dem Unterhaltspflichtigen die Grundlage seiner beruflichen Existenz zu entziehen droht. Ein landwirtschaftlicher Betrieb darf während der Trennungszeit nicht veräußert werden. Zumutbar kann aber eine Teilverwertung durch Veräußerung oder Belastung einzelner Grundstücke sein.