Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
a) Anspruch auf Vergütung von Überstunden
Rz. 44
Existiert keine individualvertragliche oder kollektive Regelung zur Vergütung veranlasster und zurechenbarer Überstunden, kann sich ein Vergütungsanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB ergeben, der hierfür eine berechtigte Vergütungserwartung des Arbeitnehmers voraussetzt. Eine solche berechtigte Erwartung besteht nicht in Fällen "deutlich herausgehobener Vergütung" bzw. bei einem "Entgelt über der Betragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung". Eine ausdrückliche gesetzliche Vergütungspflicht ist bei Auszubildenden in § 17 III BBiG normiert, wonach eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen ist.
b) Art und Höhe der Vergütung von Überstunden
Rz. 45
Gesetzliche Regelungen dahingehend, in welcher Art bzw. Höhe Überstunden zu vergüten sind, existieren nicht. In Ermangelung einer kollektiven oder individualvertraglichen Regelung gilt – wenn eine berechtigte Vergütungserwartung i.S.v. § 612 Abs. 1 BGB zu bejahen ist – grundsätzlich eine Grundvergütung für die Überstunden in Höhe des entsprechenden Bruchteils der Überstunden am Grundgehalt gem. § 612 Abs. 1 BGB als stillschweigend vereinbart.
Rz. 46
Soweit keine kollektivrechtlichen Regelungen greifen, wird in der Praxis arbeitsvertraglich häufig die Leistung von Überstundenvergütung oder die Gewährung von bezahltem Freizeitausgleich vereinbart. Der Arbeitgeber kann sich insoweit ein Wahlrecht vorbehalten, dessen Ausübung durch § 315 BGB begrenzt ist. Die Anordnung des Freizeitausgleichs muss ebenfalls billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB entsprechen.
Die Höhe der Überstundenvergütung unterliegt als Hauptleistungsabrede lediglich einer Transparenzkontrolle und darf nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB sein. Zwar sehen viele Tarifverträge Zuschläge für Überstunden vor, eine allgemeine Verpflichtung Überstunden höher zu dotieren als Tätigkeiten innerhalb der Regelarbeitszeit besteht indes nicht. Zudem sind bei der Bemessung die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes zu beachten (§§ 1, 3 MiLoG). Auch wenn der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Arbeitsstunde entsteht, ist der Arbeitgeber nicht gehalten – zusätzlich zum bzw. unabhängig vom Grundgehalt – für jede Überstunde zumindest den Mindestlohn zu leisten. Ausgehend von einer "monatlichen Durchschnittsbetrachtung" darf unter Ansatz der Regelarbeitszeit und der geleisteten Überstunden vielmehr die auf eine geleistete Arbeitsstunde entfallende Vergütung den Mindest(stunden)lohn nicht unterschreiten. Bei der Leistung von Überstundenvergütung ist dies automatisch erfüllt, wenn jede Überstunde mit dem entsprechenden Anteil am Grundgehalt oder unmittelbar in Höhe des Mindestlohns ausgeglichen wird.
c) Abgeltungsklausel
Rz. 47
Daneben sind auch pauschale Abgeltungsklauseln, wonach Überstunden bereits mit der Grundvergütung abgegolten sein sollen, weit verbreitet. Dies ist grundsätzlich zulässig. Eine solche Pauschalabrede unterliegt der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und nach der zutreffenden Auffassung des 5. Senats keiner – weitergehenden – Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel muss daher klar und verständlich sein, d.h. es muss sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Abreden wonach "sämtliche" oder alle "erforderlichen" Überstunden mit dem Grundgehalt abgegolten sind intransparent. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt" und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Transparent ist jedenfalls eine Vereinbarung nach der bei einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden die ersten 20 Überstunden "mit drin" sind. Nichts anderes kann für eine Bestimmung der Höchstgrenze unter Bezugnahme auf die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten gelten.
Rz. 48
Das Bundesarbeitsgericht interpretiert eine Vereinbarung zur Frage, wie viele Überstunden durch das Monatsgehalt abgegolten sind, zutreffenderweise als Preisabrede, die nur auf Transparenz und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) überprüft werden kann; zum Teil wird abweichend dennoch vertreten, dass die Höchstgrenze selbst einer Angemessenheitskontrolle unterliegt. Daran anknüpfend wird zumindest vorsorglich vielfach eine Begrenzung der Pauschalierung gefordert: Zum Teil wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten eine Höchstgrenze von 25 % der Reg...