Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
a) Sonderzahlung ohne Entgeltcharakter
Rz. 69
Bei der Entscheidung für oder wider eine Bindungsklausel ist zunächst entscheidend, ob die entsprechende Vergütungskomponente tatsächlich reinen Betriebstreuecharakter hat. Entgeltcharakter wird jedenfalls dann angenommen, wenn die Sonderzuwendung auf das Erreichen quantitativer und qualitativer Ziele abstellt, ganz gleich, ob diese Ziele an die persönliche Leistung des Arbeitnehmers oder an das Betriebsergebnis anknüpfen. Dies schließt neben der laufenden Grundvergütung leistungsabhängige Boni, Provisionszahlungen, Tantiemen oder ein dreizehntes Monatsgehalt aus. Dabei stellt die Rechtsprechung auch auf die Höhe der Zahlung ab: Gegen einen möglichen Betriebstreuebezug der Zuwendung spricht es, wenn eine Sonderzahlung einen nicht unwesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausmacht, was bei 15 % der Gesamtvergütung angenommen wurde. Gleichermaßen hat das BAG angedeutet, dass viel dafür spräche, dass jedenfalls in Fällen, in denen die Sonderzahlung mindestens 25 % der Gesamtvergütung ausmacht, der mit der Sonderzahlung verfolgte Zweck einer zusätzlichen Vergütung bei der Abwägung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien und damit bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Bindungsklausel maßgebend ist. Die Zielsetzung, künftige Betriebstreue zu belohnen und den Arbeitnehmer zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren, habe dahinter zurückzutreten. Weiterhin muss darauf geachtet werden, dass bereits die Gewährung einer anteiligen Zahlung im Eintritts- oder Austrittsjahr pro rata temporis für den Entgeltcharakter der Leistung spricht, da die Zahlung dadurch mit erbrachter Arbeitsleistung verknüpft wird. Im Ergebnis kommen Bindungsklauseln damit nur noch bei Weihnachtsgratifikationen und sonstigen Treue- und Halteprämien in Betracht. In jedem Fall muss sich der Betriebstreuecharakter aus der Vereinbarung über die Sonderzahlung selbst deutlich ergeben.
b) Bindungsdauer
Rz. 70
Stichtags- und Rückzahlungsklauseln sind letztlich Halteprämien. Der Arbeitnehmer soll im Zusammenhang mit dem Erhalt einer Zahlung zeitlich an das Unternehmen gebunden werden. Insoweit kann eine zu lange Bindungsdauer den Arbeitnehmer in unzulässiger Weise in seiner durch Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit behindern und dadurch unangemessen sein. In Bezug auf eine zulässige Bindungsdauer bei Rückzahlungsklauseln hat das BAG in der Vergangenheit eine in Abhängigkeit von der Höhe der einzelnen Zahlung stehende Staffelung in Form von Grenzwerten entwickelt:
Rz. 71
Höhe der Sonderzahlung brutto |
Zulässige maximale Bindungsdauer |
Sonderzahlung ≤ 100 EUR |
Rückzahlung stets unangemessen. |
100 EUR < Sonderzahlung < 1 Monatsgehalt |
31. März des Folgejahres. |
Sonderzahlung = 1 Monatsgehalt |
Bis zum ersten Kündigungstermin nach dem 31. März des Folgejahres. |
Sonderzahlung > 1 Monatsgehalt |
Eine Bindung über den 30. Juni des Folgejahres ist nur möglich, wenn die Zahlung ein Monatsgehalt erheblich übersteigt und eine eindrucksvolle und beachtliche Zuwendung darstellt. |
Rz. 72
Das BAG hat bislang ausdrücklich offengelassen, ob diese Staffelung auch bei Stichtagsklauseln heranzuziehen sei oder ob diese strengeren Anforderungen nur für Rückzahlungsklauseln gelten. Unangemessen benachteiligt wird der Arbeitnehmer jedenfalls durch eine Stichtagsklausel, die unabhängig von der Höhe der Zahlung eine Bindung bis zum 30. September des Folgejahres vorsieht. Bis die Frage der angemessenen Bindungsdauer bei Stichtagsklauseln eine abschließende Klärung durch die Rechtsprechung erfährt, bietet sich eine Orientierung an den im Zusammenhang mit Rückzahlungsklauseln aufgestellten Richtwerten an.