Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
Rz. 321
Was die zulässige Reichweite von Ausschlussfristen angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass wegen § 202 BGB die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäfte erleichtert werden kann. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass dieses Verbot nicht nur Verkürzungen von Verjährungsfristen im eigentlichen Sinne, sondern auch die Vereinbarung von der Verjährung in ihren Auswirkungen nahekommenden Ausschlussfristen erfasst.
Durchaus bemerkenswert war, dass das BAG zunächst nicht von der gänzlichen Unwirksamkeit der Ausschlussklausel ausging, wenn diese nicht explizit Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz ausnahm. Allerdings hat das BAG zu dieser Frage inzwischen eine Kehrtwende vollzogen: Die neuere Rechtsprechung geht nunmehr davon aus, dass vorformulierte Ausschlussklauseln, die Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht ausklammern, wegen eines Verstoßes gegen §§ 202 Abs. 1 i.V.m. 134 BGB unwirksam sind. Die von der älteren Rechtsprechung insoweit unternommenen Rettungsbemühungen über eine Anwendung des § 139 BGB verbunden mit der Auslegung, dass die Parteien in aller Regel die Ausschlussfrist auch ohne den ganz offensichtlich mit § 202 Abs. 1 BGB kollidierenden und damit nichtigen Teil vereinbart hätten, werden nicht länger unternommen. Es ist daher erforderlich, bei der Formulierung von Ausschlussfristen einen klaren Vorbehalt mit Blick auf Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung oder vorsätzlicher unerlaubter Handlung zu machen.
Bemerkenswert ist zudem eine weitere Aussage der neueren Rechtsprechung in diesem Zusammenhang: Nach allgemeinen Grundsätzen des AGB-Rechts könnte sich ein Klauselverwender (der Arbeitgeber), der Ansprüche gegen die andere Vertragspartei (den Arbeitnehmer) geltend macht, grundsätzlich nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen, wenn diese den Vorbehalt hinsichtlich einer Haftung wegen Vorsatzes nicht macht. Das BAG kommt allerdings für die spezielle Situation eines Verstoßes der Klausel gegen §§ 202 Abs. 1, 134 BGB zu einem abweichenden Befund: Es hat entschieden, dass sich der Arbeitgeber in einer solchen Situation die Unwirksamkeit der Klausel nicht nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von AGB entgegenhalten lassen muss. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich die Unwirksamkeit der konkreten Klausel nicht aus §§ 307 ff. BGB und dem hier vorgesehenen Rechtsfolgensystem ergibt, sondern bereits aus §§ 202 Abs. 1, 134 BGB. Bei der Beantwortung der Frage, ob sich ein Klauselverwender eine von ihm geschaffene Klausel trotz deren Unwirksamkeit entgegenhalten lassen muss, ist also letztlich anhand der Frage zu differenzieren, aus welchen Normen die Unwirksamkeit/Nichtigkeit folgt.
Rz. 322
In anderem Zusammenhang zeigte sich das BAG schon immer weniger nachsichtig: So hatte es zunächst eine Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag einer Pflegehilfskraft beanstandet, weil diese nicht ausdrücklich Mindestentgeltansprüche aus § 2 PflegeArbbV ausgeklammert hatte. Die Regelung im konkreten Fall verstieß gegen § 9 AEntG, nach dem Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs auf ein Mindestentgelt nur in bestimmten Tarifvorschriften, nicht jedoch auf arbeitsvertraglicher Ebene geregelt werden dürfen und zudem für Ausschlussfristen eine Mindestfrist von sechs Monaten vorgesehen wird. Bemerkenswert ist die weitere Aussage des Gerichts, dass die Klausel hier gerade nicht teilweise – also mit Blick auf sonstige Ansprüche jenseits des Mindestentgelts – aufrechterhalten werden könne, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB entgegenstehe. Die Klausel stelle die Rechtslage irreführend dar und könne vom durchschnittlichen Arbeitnehmer so (miss-)verstanden werden, dass auch der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV innerhalb der vorgesehenen Fristen geltend gemacht werden müsse, um einen Verfall zu verhindern. Um dieser Gefahr vorzubeugen, müsse der Mindestentgeltanspruch klar und deutlich aus dem Anwendungsbereich der Verfallklausel ausgenommen werden.
In der Folge wurden unterschiedliche Auffassungen zur Frage vertreten, ob dies auch mit Blick auf Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz zu gelten hat. Immerhin sieht § 3 MiLoG in diesem Zusammenhang vor, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, nur "insoweit" unwirksam sein sollen. Der Wortlaut des Gesetzes spricht daher wohl dafür, keine Gesamtunwirksamkeit solcher Ausschlussfristen anzunehmen, die Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz nicht explizit ausklammern. Dennoch hat zumindest der 9. Senat des BAG in der Folge auch mit Blick auf Ansprüche aus dem MiLoG geurteilt, dass Ausschlussfristen, die nach Inkrafttreten des MiLoG (d.h. ab dem 1.1.2015) vertraglich vereinbart wurden, intransparent und insgesamt unwirksam sind, wenn Ansprüche aus dem MiLoG nicht ausdrücklich aus dem Anwendung...