Rz. 95

Die Inbezugnahme tariflicher Regelungen ist ein gängiges Mittel der Arbeitsvertragsgestaltung. Insbesondere tarifgebundene Arbeitgeber greifen auf sie zurück, um einheitliche Vertragsbedingungen für alle Mitarbeiter unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit zu gewährleisten. Doch auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber können Bezugnahmeklauseln nutzen und so auf ein bereits bestehendes einheitliches Regelwerk zurückgreifen, was auf potenzielle Bewerber unter Umständen attraktiv wirken kann. Zudem sei auch auf § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 15 NachwG hingewiesen, wonach der Arbeitnehmer auf die Anwendung findenden Tarifverträge hinzuweisen ist.[176]

 

Rz. 96

Das "Ob" und "Wie" der Klauselgestaltung wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, welche sich insbesondere in folgenden Fragen ausdrücken:

Besteht eine Tarifbindung des Arbeitgebers?
Besteht eine Tarifbindung des Arbeitnehmers?
Welche Tarifwerke sollen Anwendung finden?
Wie sollen sich Änderungen in den Tarifwerken auswirken?
Wie sollen sich Änderungen in der Tarifbindung auswirken?
 

Rz. 97

Hinsichtlich der AGB-Kontrolle ist zwischen der Bezugnahmeklausel an sich und den in Bezug genommenen Regelungen zu unterscheiden. Der Rückgriff auf Bezugnahmeklauseln ist mit Blick auf eine AGB-Kontrolle grundsätzlich unproblematisch. Aufgrund ihrer Etablierung sind sie nicht überraschend.[177] Ausweislich der Rechtsprechung des BAG sind Bezugnahmeklauseln auch regelmäßig nicht intransparent oder unangemessen, auch dann nicht, wenn sie auf den jeweils Anwendung findenden Tarifvertrag verweisen.[178]

 

Rz. 98

Tarifverträge selbst unterliegen – wie auch Dienst- und Betriebsvereinbarungen – gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB unmittelbar keiner AGB-Kontrolle. Grund hierfür ist die Annahme, dass die Vertragspartner sich nicht in einem Ungleichgewicht der Kräfte gegenüberstehen, die Tarifvorschriften die gegenseitigen Interessen daher ausgewogen berücksichtigen. Die Tarifautonomie soll nicht durch eine AGB-Kontrolle konterkariert werden.[179] Tarifverträge gelten allerdings als Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, sodass ergänzende bzw. von ihnen abweichende einzelvertragliche Regelungen sehr wohl einer Kontrolle gem. §§ 307, 308, 309 BGB unterliegen. Gleiches gilt auch für die Bezugnahmeklauseln selbst, die ihrerseits insgesamt einer AGB-Kontrolle unterliegen.

 

Rz. 99

Werden Tarifnormen im Weg einer Globalverweisung – also Bezugnahme auf den gesamten Tarifvertrag – in Bezug genommen, erfolgt grundsätzlich keine Inhaltskontrolle und auch keine Transparenzkontrolle.[180] Einschränkungen dieses Grundsatzes sind aus zwei Gründen zu beachten: Erstens muss der Tarifvertrag selbst und unmittelbar Regelungen treffen, darf also nicht durch die Vertragspartner ausfüllungsbedürftig sein.[181] Zweitens muss es sich um einen einschlägigen Tarifvertrag handeln. Die Richtigkeitsgewähr eines Tarifvertrages ist nicht anzunehmen, wenn er nicht die Eigenheiten des Arbeitsverhältnisses beachten kann, weil er z.B. für eine andere Branche abgeschlossen wurde.[182] Die Bezugnahme auf branchenfremde Tarifregelungen kann übrigens auch Auswirkungen auf die AGB-Kontrolle der Bezugnahmeklausel an sich haben, indem sie dadurch als überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen sein könnten.[183]

 

Rz. 100

Im Gegensatz dazu greift bei einer Einzelverweisung auf nur einzelne Regelungen eines Tarifwerks die Vermutung der Angemessenheit und Richtigkeit der tariflichen Regelung nicht ein. Vielmehr ist eine vollständige Inhaltskontrolle auch der in Bezug genommenen tariflichen Regelung vorzunehmen.[184] Davon ist gegebenenfalls der Verweis auf einzelne, in sich abgeschlossene Teile eines Tarifvertrages zu unterscheiden.[185]

[176] Grundsätzlich kann dies auch durch einen entsprechenden Hinweis in einem schriftlichen Arbeitsvertrag geschehen. Für weitere Einzelheiten diesbezüglich wird auf die Ausführungen zum NachwG in § 5 verwiesen.
[179] BT-Drucks 14/6857, 54.
[182] ErfK/Preis, § 310 Rn 14 m.w.N.
[183] ErfK/Preis, § 310 Rn 30 m.w.N.

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