Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
1. Musterklausel
Rz. 58
Muster 3.9: Widerrufsvorbehalt
Muster 3.9: Widerrufsvorbehalt
Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer zusätzlich zu der Grundvergütung nach § _________________________ jährlich ein Weihnachtsgeld in Höhe von _________________________ EUR brutto. Die Auszahlung des Weihnachtsgelds erfolgt mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung des Monats November. Der Arbeitgeber behält sich vor, diese Leistung im Falle einer wirtschaftlichen Notlage zu widerrufen.
2. Grundlagen
Rz. 59
Grundsätzlich ist die Vereinbarung eines Vorbehalts, der es dem Arbeitgeber ermöglicht, eine zunächst unbefristet zugesagte Leistung nachträglich zu ändern oder auch ihre Weitergewährung vollständig zu beenden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Bereits lange vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2002 war ein solcher Vorbehalt allerdings nur wirksam, wenn der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses unangetastet blieb, d.h. nicht wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages dem einseitigen Änderungsrecht des Arbeitgebers unterlagen. Entsprechende Regelungen waren nach alter Rechtsprechung gemäß § 134 BGB nichtig, wenn sie zur Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes führten; eine entsprechende teilweise Kündigung eines Anstellungsverhältnisses (Teilkündigung) ist unwirksam. Heute ist die Wirksamkeit eines Änderungs- oder Widerrufsvorbehalts anhand des Maßstabes von § 308 Nr. 4 BGB als lex specialis zu § 307 BGB und damit anhand von Zumutbarkeitserwägungen zu prüfen – die konkreten rechtlichen Erwägungen sind allerdings im Grundsatz gleich geblieben. Erhöht haben sich in den letzten Jahren allerdings die Transparenzanforderungen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) an die Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber Gebrauch von dem Vorbehalt machen kann, sprich die Widerrufsgründe: Der Arbeitnehmer muss wissen, "was auf ihn zukommt". Neben dieser Inhalts- und Transparenzkontrolle ist schließlich als letzter Prüfungsschritt stets auch eine Ausübungskontrolle vorzunehmen, d.h. die Ausübung des – an sich wirksam vereinbarten – Widerrufsvorbehalts muss auch im konkreten Anwendungs- bzw. Einzelfall billigem Ermessen (§ 315 BGB) entsprechen.
3. Hinweise zur Vertragsgestaltung
Rz. 60
Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung, muss ein wirksamer Widerrufsvorbehalt kumulativ folgende Anforderungen erfüllen:
a) Inhaltskontrolle
Rz. 61
Der Kernbereich des Anstellungsverhältnisses bleibt von einem Widerrufsvorbehalt nach der bislang ergangenen Rechtsprechung grundsätzlich unangetastet, wenn der widerrufliche Vergütungsanteil einen Bereich von 25 % – 30 % der Gesamtvergütung nicht überschreitet. Dabei darf die Grundvergütung selbst nicht Gegenstand des Widerrufsvorbehalts sein. Widerruflich ausgestaltet werden können vielmehr klassische Nebenleistungen (Weihnachtsgeld, Treueprämien, Jubiläumszahlungen, Provisionen, Zulagen, sonstige Gratifikationen). Nach der Rechtsprechung muss der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegen und der Tariflohn darf nicht unterschritten werden. Sind darüber hinaus Zahlungen des Arbeitgebers widerruflich, die nicht eine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen sind, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes. Da der Arbeitgeber – vergleichbar dem Tariflohn – auch über den Mindestlohn nicht disponieren darf (§ 3 S. 1 MiLoG), wird vielfach vertreten, dass bei einem wirksamen Widerrufsvorbehalt auch der Mindestlohn nicht unterschritten werden dürfe. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu steht bislang aus.
b) Widerrufsgrund, Transparenzanforderungen
Rz. 62
Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Die Widerrufsklausel hat sich auf die Fälle zu beschränken, in denen ein anzuerkennender Sachgrund besteht. Der Sachgrund muss in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was gegebenenfalls auf ihn zukommt. Um den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB gerecht zu werden, muss bei den Widerrufsgründen zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, z.B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. In Bezug auf den Entzug eines auch privat genutzten Dienstwagens genügt insoweit, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Freistellung mit dem Entzug der Privatnutzung rechnen muss. In einer neueren Entscheidung hat das BAG es ins...