Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
Rz. 101
Die Gestaltung von Bezugnahmeklauseln ist in den letzten Jahren deutlich anspruchsvoller geworden. Folgende Aspekte sind bei der Vertragsgestaltung zu beachten:
1. Große dynamische Bezugnahme und Tarifwechselklausel
Rz. 102
Die oben vorgeschlagene Klausel soll dem dargestellten Ansinnen des aufgrund Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bereits tarifgebundenen Arbeitgebers im Wege einer großen dynamischen Bezugnahme auf Anwendung findende Tarifwerke möglichst weit gerecht werden. Das bedeutet, dass sie sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Reichweite möglichst viel Flexibilität einräumen soll. Mit der vorgeschlagenen Formulierung werden auch solche Tarifverträge einbezogen, die die in Bezug genommenen Tarifnormen ersetzen (Tarifsukzession). Fehlt es an einer entsprechenden Formulierung, kann die Lücke ggf. durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Die Benennung des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Anwendung findenden Tarifwerks erfolgt auch mit Blick auf § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 15 NachwG. Ebenso sollte ein Verweis auf die auch gem. § 8 TVG vorgesehene Einsichtnahmemöglichkeit aufgenommen werden.
Rz. 103
Denkbar wäre es, alternativ konkrete Tarifwerke statisch – also ohne einen automatischen Nachvollzug erfolgender Tarifänderungen – in Bezug zu nehmen. Des Weiteren könnte eine kleine dynamische Bezugnahme erfolgen, also eine Dynamik beschränkt auf ein konkret bezeichnetes Tarifwerk. Beide Varianten haben allerdings den Nachteil, bei Änderungen der konkret benannten Tarifwerke bzw. nach einem Wechsel des normativ Anwendung findenden Tarifwerks für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer nicht mehr den Gleichlauf zu tarifgebundenen Arbeitnehmern herstellen zu können. Änderungen bedürften einer Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, gegebenenfalls durch arbeitgeberseitige Änderungskündigung herbeigeführt. Dies erscheint nicht zweckmäßig. Von einem Klauselvorschlag wird daher abgesehen.
2. Auswirkungen des Wegfalls der normativen Tarifbindung des Arbeitgebers
Rz. 104
Die im zweiten Absatz des obenstehenden Klauselvorschlags enthaltene Regelung zum Wegfall der normativen Tarifbindung des Arbeitgebers soll sicherstellen, dass die grundsätzlich gewünschte Dynamik bei der Bezugnahme auf tarifliche Regelungen endet, sobald der Arbeitgeber aus der originären Tarifbindung aussteigt. Der Effekt soll bereits mit der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG eintreten. Dies dürfte insbesondere dann relevant werden, wenn ein Arbeitgeber der tariflichen Entgeltdynamik nicht mehr folgen kann oder möchte. Allerdings entfällt die dynamische Wirkung mit Blick auf sämtliche in Bezug genommenen Tarifwerke, sodass für den Arbeitgeber positive Tarifentwicklungen dann ebenfalls keine Anwendung mehr finden. Es ist daher im Einzelfall abzuwägen, ob ein Ausstieg aus der Tarifbindung insgesamt zielführend ist oder ob über die Nutzung von Firmentarifverträgen auf u.a. wirtschaftliche Besonderheiten eines Arbeitgebers Rücksicht genommen werden kann.
3. Auswirkungen eines Betriebsübergangs
Rz. 105
Der Klauselvorschlag den Betriebsübergang betreffend (Absatz 3) soll ebenso sicherstellen, dass zukünftige Veränderungen in der Tarifbindung, die sich jedoch durch den Wechsel des Arbeitgebers ergeben, adäquat abgebildet werden. Unter Berücksichtigung der Regelungen in § 613a Abs. 1 S. 3 BGB soll die Tarifbindung eines zukünftigen Arbeitgebers die Bezugnahme prägen.