Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
I. Musterklausel
Rz. 333
Muster 3.56: Aufrechnungsverbot
Muster 3.56: Aufrechnungsverbot
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Aufrechnung gegenüber Ansprüchen des Arbeitgebers ausgeschlossen ist, soweit dies rechtlich zulässig ist. Das Aufrechnungsverbot gilt jedoch von vornherein nicht für eine Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen.
II. Grundlagen
Rz. 334
Schulden zwei Parteien einander gleichartige Leistungen, so kann grds. jede Partei ihre Forderung gegen die Forderung des jeweils anderen aufrechnen und somit auf einfache Art und Weise unter Vermeidung des ansonsten erforderlichen Leistungsaustauschs sowohl die eigene Verpflichtung erfüllen als auch die eigene Forderung befriedigen. Voraussetzung für eine Aufrechnung ist gem. § 387 BGB neben der Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen zunächst, dass der Aufrechnende "die ihm gebührende Leistung fordern" kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Anspruch besteht und auch fällig sowie durchsetzbar ist (vgl. auch § 390 BGB). Auf der anderen Seite setzt die Aufrechnung voraus, dass der Aufrechnende "die ihm obliegende Leistung bewirken kann". Hiermit ist zum Ausdruck gebracht, dass die sog. Hauptforderung – also die Forderung, gegen die der Aufrechnende seine Gegenforderung aufrechnet – zwar nicht durchsetzbar, aber doch zumindest erfüllbar sein muss. Diese Anforderung erklärt sich daraus, dass die Aufrechnung ein sog. Erfüllungssurrogat ist.
Rz. 335
Zu unterscheiden ist die Aufrechnung von der sog. Anrechnung. Bei dieser geht es nicht um die wechselseitige Erfüllung von Ansprüchen, sondern z.B. um die Frage, ob sich der Arbeitnehmer etwa Leistungen Dritter auf seine Vergütungsansprüche anrechnen lassen muss.
Rz. 336
Die Aufrechnung erfolgt – im Gegensatz zur Situation eines zweiseitigen Aufrechnungsvertrages – durch einseitige Gestaltungserklärung gegenüber dem anderen Teil (§ 388 BGB). Sie hat zur Folge, dass die sich gegenüberstehenden Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken. Bemerkenswert ist dabei, dass die Aufrechnung gem. § 389 BGB auf den Zeitpunkt zurückwirkt, "in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind". Die Aufrechnung entfaltet ihre Wirkung also bereits (rückwirkend) ab dem Zeitpunkt, ab dem die beiden Forderungen erstmals gegeneinander hätten aufgerechnet werden können (erstmaliger Eintritt der sog. Aufrechnungslage). Eine wichtige Konsequenz dieser Rückwirkung ist es, dass z.B. auch ein zunächst entstandener Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage entfällt.
Rz. 337
Da es sich um Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts handelt, sind die §§ 387 ff. BGB selbstverständlich auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich anwendbar, ohne dass dies (deklaratorisch) geregelt werden müsste. In Betracht kommt eine Aufrechnung im Arbeitsverhältnis insbesondere mit Blick auf wechselseitige Geldforderungen. So kann etwa der Arbeitgeber bestehende Ansprüche auf eine Vertragsstrafe grundsätzlich gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aufrechnen. Wichtig ist dabei allerdings, dass eine Aufrechnung insoweit nur mit oder gegen den Nettolohnanspruch des Arbeitnehmers möglich ist, nicht jedoch mit Blick auch auf abzuführende Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer. Da diese Beträge einzubehalten und an Dritte abzuführen sind, fehlt es insoweit bereits an der für eine Aufrechnungslage nötigen Gegenseitigkeit bzw. an der Gleichartigkeit der Forderungen. Der Arbeitgeber bleibt damit zur Abführung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet.
Rz. 338
Eine Aufrechnung kann schon nach allgemeinen Regeln ausgeschlossen sein. Aufrechnungsverbote können sich aus Gesetz (vgl. §§ 390 ff. BGB), aus tariflichen Regeln oder auch aus Betriebsvereinbarungen ergeben. Im Bereich des Arbeitsrechts ist insbesondere die gesetzliche Regelung des § 394 S. 1 BGB von herausragender Relevanz: Nach dieser ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, soweit die Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist. Hiermit werden die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO in Bezug genommen, was letztlich dazu führt, dass ein Arbeitgeber auch dann den unpfändbaren Teil des Lohns auszuzahlen hat, wenn ihm an sich höhere Gegenansprüche gegen den Arbeitnehmer zustehen.
Rz. 339
Nicht aufgerechnet werden kann ferner mit Forderungen aus unter Verstoß gegen das sog. "Truckverbot" des § 107 Abs. 2 S. 2 GewO kreditierten Waren.
III. Hinweise zur Vertragsgestaltung
Rz. 340
Auch auf (arbeits-)vertraglicher Ebene können Aufrechnungsverbote vorgesehen werden. Die grundsätzliche Zulässigkeit vertraglicher Aufrechnungsverbote folgt bereits aus § 391 Abs. 2 BGB sowie ...