Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
I. Musterklausel
Rz. 371
Muster 3.62: Gerichtsstand
Muster 3.62: Gerichtsstand
Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten aus diesem Arbeitsvertrag ist der jeweilige Sitz der Gesellschaft. Dieser ist derzeit _________________________.
(Alternativ:)
Im Fall, dass der Arbeitnehmer keinen festen Wohnsitz im Inland haben sollte, ist der Sitz der Gesellschaft in _________________________ Gerichtsstand für etwaige Rechtsstreitigkeiten aus diesem Arbeitsvertrag. Dies gilt auch, falls der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt zum Zeitpunkt der Klageerhebung unbekannt ist.
II. Grundlagen
Rz. 372
Die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bestimmt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO (i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG) sowie ggf. § 48 Abs. 1a) und § 82 ArbGG. Die Arbeitsvertragsparteien können die jeweilige Gegenpartei danach im Fall gerichtlicher Auseinandersetzungen grundsätzlich an deren allgemeinem Gerichtsstand verklagen, der im Fall des Arbeitnehmers durch dessen Wohnsitz (§ 13 ZPO), im Fall des Arbeitgebers zumeist durch den Sitz der Anstellungsgesellschaft (§ 17 ZPO) bestimmt wird. Daneben kommen insbesondere die besonderen Gerichtsstände des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO), der Niederlassung (§ 21 ZPO), der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) sowie ggf. der Widerklage (§ 33 ZPO) in Betracht, an denen alternativ (nach Wahl des Klägers) geklagt werden kann (vgl. § 35 ZPO). Der besondere Gerichtsstand des Arbeitsortes nach § 48 Abs. 1a) ArbGG wird sich zumeist mit dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO decken. Eigenständige Bedeutung kann er in Fällen haben, in denen ein gewöhnlicher Arbeitsort i.S.d. § 48 Abs. 1a) ArbGG nicht festzustellen ist. § 48 Abs. 1a) S. 2 ArbGG bestimmt in diesen Fällen, dass dann auch das Arbeitsgericht örtlich zuständig ist, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Insoweit kann es zu von der Bestimmung des Erfüllungsortes (§ 269 BGB) abweichenden Ergebnissen kommen.
III. Hinweise zur Vertragsgestaltung
Rz. 373
Die gesetzlichen Regelungen können in der Praxis gerade aus Arbeitgebersicht zu dem bisweilen unbefriedigenden Ergebnis führen, dass arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen an einem weit vom Unternehmensstandort entfernten Arbeitsgericht ausgetragen werden müssen oder dass – gerade bei größeren, standortübergreifenden Restrukturierungen – eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsgerichte mit gleichgelagerten Sachverhalten befasst wird, was die Gefahr inhaltlich divergierender Entscheidungen mit sich bringt. Es kann daher ein Interesse daran bestehen, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts durch eine vertragliche Vereinbarung über den Gerichtsstand (sog. Prorogation) zu beeinflussen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Frage der örtlichen, sondern u.U. auch für die Frage der sachlichen Zuständigkeit bzw. des im Konfliktfall zu beschreitenden Rechtswegs (siehe §§ 2, 2a ArbGG). Allerdings sind die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in arbeitsrechtlichen Sachverhalten insoweit ausgesprochen begrenzt.
Rz. 374
Nach den Regelungen der §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 38 Abs. 1 ZPO ist nämlich eine Vereinbarung über das zuständige Gericht im Vorfeld des Entstehens der Streitigkeit nur dann möglich, wenn die Parteien des Konflikts Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst eine vertragliche Vereinbarung über den Erfüllungsort die örtliche Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Arbeitsgerichts nur dann zu begründen vermag, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind (siehe § 29 Abs. 2 ZPO). Da die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO in arbeitsrechtlichen Sachverhalten allerdings fast nie gegeben sein werden, sind wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen im Arbeitsvertrag weitestgehend ausgeschlossen (dies gilt unabhängig davon, ob der Versuch einer solchen Regelung innerhalb von AGB oder in individuell ausgehandelten Klauseln unternommen wird). So ist auch die hier eingangs als erste Variante vorgeschlagene Klausel rechtlich unzulässig. Ein Argument dafür, eine solche Klausel dennoch in den Vertrag aufzunehmen, mag allerdings die Hoffnung sein, dass sich die Parteien trotz rechtlicher Unzulässigkeit der Klausel tatsächlich nach dieser richten werden.
Rz. 375
Ausnahmen vom grds. bestehenden Verbot einer Prorogation finden sich in § 38 Abs. 2 und 3 ZPO. Zulässig sind Gerichtsstandregelungen danach auch ohne Erfüllung der Anforderungen des § 38 Abs. 1 ZPO, wenn wenigstens eine der Parteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (§ 38 Abs. 2 ZPO), wenn die Vereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit geschlossen wird (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) oder wenn die Vereinbarung für den Fall geschlos...