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Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 wurde am 29.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl I, 3256). Das SanInsFog besteht aus 25 Artikeln. Das hier relevante Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) ist als Art. 1 des SanInsFoG gem. Art. 25 am 1.1.2021 in Kraft getreten. Ein u.a. wesentliches Element in diesem Verfahren ist die Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen. Mit diesen Maßnahmen sollen Vollstreckungen in das schuldnerische Vermögen und die Verwertung von Sicherheiten temporär untersagt oder eingestellt werden. Nach § 49 StaRUG ordnet das Restrukturierungsgericht, soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist, auf Antrag des Schuldners:
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Nr. 1 eine Vollstreckungssperre an (Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner werden untersagt oder einstweilen eingestellt) und/oder |
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Nr. 2 eine Verwertungssperre an (Rechte an Gegenständen des beweglichen Vermögens, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Ab- oder Aussonderungsrecht geltend gemacht werden könnten, dürfen von dem Gläubiger nicht durchgesetzt werden, und solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners dürfen nicht eingesetzt werden, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind). |
Nach § 49 Abs. 2 S. 2 StaRUG kann sich die Anordnung im Übrigen gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger richten. Nach Art. 4 SanInsFoG erhält auch das ZVG eine neue Vorschrift, § 30g ZVG (Vollzug der Vollstreckungssperre bei Stabilisierungsmaßnahmen).
Der Wortlaut von § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG entspricht nahezu § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO. Allerdings weicht der Gesetzestext in einem entscheidenden Punkt von der Vorlage in § 21 InsO ab. Nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 InsO können Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagt oder einstweilen eingestellt werden, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Diese Einschränkung wurde in § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG jedoch nicht übernommen. Offenbar wurde das Ausnehmen unbeweglicher Gegenstände bewusst so geregelt. Erfasst die Anordnung von Vollstreckungssperren auch das unbewegliche Vermögen des Schuldners, soll das Vollstreckungsgericht für den Vollzug der Sperre zuständig sein. Die Einzelheiten wurden im neuen § 30g ZVG geregelt.
Das Verbot erfasst somit ausdrücklich und bewusst auch Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte. Allerdings ist der "Vollzug" in § 30g ZVG verunglückt. Ein bestehendes Vollstreckungsverbot oder Vollstreckungshindernis hat das Vollstreckungsgericht bei Kenntnis bereits nach § 28 ZVG zu berücksichtigen. Es muss dann von Amts wegen prüfen, ob das Verfahren entweder sofort aufzuheben oder einstweilen einzustellen ist (§ 28 Abs. 1 ZVG und § 161 Abs. 4 ZVG). Das Vollstreckungsgericht hat in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für den betreibenden Gläubiger gegen den Schuldner vorliegen. Es dürfen auch keine Vollstreckungshindernisse vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist § 30g ZVG auch nicht der Vollzug der Vollstreckungssperre, wie dies in der Begründung zu § 56-E (BR-Drucks 619/20) – jetzt § 49 StaRUG – beschrieben ist. § 30g ZVG setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der aber nicht notwendig ist, das Vollstreckungsgericht handelt von Amts wegen. § 30g ZVG hätte nur eine Berechtigung, wenn § 49 Abs. 1 Nr. 1 StarRUG inhaltlich so geregelt wäre wie § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO und ausdrücklich unbewegliches Vermögen ausgenommen wäre. So bleibt die Frage offen, welchen Zweck das Antragserfordernis nach § 30g Abs. 1 Satz 1 ZVG haben soll? Sofern der Schuldner dennoch einen Antrag stellen würde, müsste das Vollstreckungsgericht überlegen, die in § 30g ZVG geregelte Auflagenanordnung (Zinsausgleich, Wertverlustausgleich) auszusprechen. Dies würde das Vermögen des Schuldners belasten, ein solcher Antrag dürfte kaum gestellt werden.