Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
a) Allgemeines
Rz. 102
Kommt es im Rahmen der Unfallregulierung auch zu einem gerichtlichen Verfahren, so ist zwischen den zuvor für die außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Anwaltskosten und den Anwaltskosten für das gerichtliche Verfahren zu unterscheiden.
Rz. 103
Die Anwaltskosten für das gerichtliche Verfahren (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, ggf. Einigungsgebühr, Auslagenpauschale, Umsatzsteuer) können im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach §§ 103 ff. ZPO angemeldet werden. Sie werden dann vom Gericht gegen den Gegner festgesetzt und können auf diese Weise vollstreckt werden. Im Kostenfestsetzungsverfahren können diejenigen Anwaltskosten berücksichtigt werden, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung im gerichtlichen Verfahren notwendig waren (§ 91 Abs. 1 und 2 ZPO). Basis für die Aufteilung der Kosten ist die in der gerichtlichen Entscheidung festgelegte Kostenquote.
Rz. 104
Diejenigen Anwaltskosten, die im Vorfeld des Prozesses (d.h. vor Anhängigkeit) entstanden sind, können dagegen im Regelfall nicht festgesetzt werden. Denn § 91 Abs. 1 ZPO spricht von den "Kosten des Rechtsstreits". Betroffen von dieser Problematik sind die außergerichtliche Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) sowie eine eventuell entstandene Terminsgebühr für eine außergerichtliche Besprechung (Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG):
Die Geschäftsgebühr wird nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte – maximal mit einem Gebührensatz von 0,75 – auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits angerechnet. Nach der Regelung in § 15a Abs. 1 RVG entsteht die Geschäftsgebühr jedoch – unabhängig von dieser Anrechnungsregelung – zunächst einmal selbstständig in voller Höhe. Sie wird allerdings (ebenso wenig wie die dazugehörige Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer) nicht im Verfahren nach §§ 103, 104 ZPO festgesetzt.
Nimmt der Anwalt nach Erteilung des Prozessauftrages, aber vor Klageerhebung an einem Termin im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG teil und kommt es im nachfolgenden Klageverfahren nicht mehr zu einem Termin, ist die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nicht im Klageverfahren, sondern für die außergerichtliche Tätigkeit entstanden.
Rz. 105
Die Rechtsprechung bejaht zwar die Erstattungs- und Festsetzungsfähigkeit von sog. Vorbereitungskosten. Dies sind aber nur diejenigen Kosten, die in Bezug auf einen Rechtsstreit aufgewandt werden und unmittelbar auf die Prozessführung gerichtet sind. Dagegen bezieht sich die Tätigkeit, die der Geschäftsgebühr sowie der Terminsgebühr für eine außergerichtliche Besprechung zugrunde liegt, nicht auf die Vorbereitung, sondern gerade auf die Vermeidung eines Rechtsstreits.
b) Geschäftsgebühr
Rz. 106
Die Geschäftsgebühr muss mangels Festsetzung im Verfahren gesondert durchgesetzt werden. Als Nebenforderung im Hauptsacheverfahren kann sie kostenneutral (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO) eingeklagt bzw. im Mahnantrag geltend gemacht werden. Erfolgt dies nicht, sondern eine Geltendmachung durch eigene Klage, so droht der Einwand des Schädigers, gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen zu haben. Hat der Mandant die Vergütung noch nicht bezahlt, besteht nur ein Anspruch auf Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber seinem Anwalt. Scheidet die Geltendmachung als Nebenforderung aus, müssen die betreffenden Gebühren selbstständig eingeklagt werden.
Rz. 107
Wird die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren als Nebenforderung geltend gemacht und entsprechend tituliert, ist im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren § 15a Abs. 2 RVG zu beachten: Meldet der Anwalt die volle 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) zur Festsetzung an und beruft sich der Gegner bzw. sein Versicherer auf die bereits erfolgte Titulierung der außergerichtlichen Kosten, wird die Geschäftsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet und die Verfahrensgebühr nur in entsprechend reduziertem Umfang festgesetzt. Die Rechtskraft des Titels ist dafür nicht erforderlich.
Rz. 108
Eine Anwendung von § 15a Abs. 2 RVG scheidet aber nach dem Wortlaut der Vorschrift aus, wenn außergerichtlich keine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV RVG entstanden ist, sondern die Partei mit ihrem Anwalt ein Pauschal- oder Stundenhonorar vereinbart hat. Denn in einem solchen Fall greift die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG nicht ein. Gleiches gilt, wenn vor Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung ein Anwaltswechsel stattgefunden hat, da die Anrechnung die Tätigkeit desselben Anwalts im außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich voraussetzt.
Rz. 109
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Rechtsprechung in solchen Fällen tatsächlich trotz der Titulierung der außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten die volle Verfahrensgebühr festsetzt o...