1. Firmenwahrheit
a) Grundsatz
Rz. 93
Firmenwahrheit bedeutet, dass Irreführungen des Publikums vermieden werden sollen. Die Firma darf weder in ihrem Kern noch den Zusätzen oder insgesamt Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, unrichtige Vorstellungen hervorzurufen bzw. einen objektiv falschen Tatbestand zu behaupten. Auch Übertreibungen können dem Irreführungsverbot unterfallen.
b) Frei gewordene Firma
Rz. 94
Das Gebot der Firmenwahrheit begleitet die Firma, solange diese besteht und entfaltet u.U. in Bezug auf Dritte selbst dann noch Wirkung, wenn sie erloschen ist. Die Firma des Einzelkaufmanns erlischt, wenn sie nicht mehr benutzt, das Handelsgewerbe dauernd und nicht nur vorübergehend aufgegeben wird. Rein formal ist die erloschene Firma nun "frei", und doch kann die Firma nicht – zumindest nicht unmittelbar nach ihrer Aufgabe – von einem anderen Unternehmen am gleichen Ort angenommen werden. Zwar liegt dann kein Verstoß gegen § 30 HGB vor (es waren nie gleichzeitig zwei Firmen gleichen Namens im Handelsregister eingetragen), doch kann der redliche Verkehr getäuscht werden, wenn für ihn nicht erkennbar ist, dass sich unter dem bisherigen (alten) Namen nun ein anderes, neues Rechtsgebilde verbirgt, was i.Ü. z.T. bewusst ausgenutzt wird.
Beispiel
Die Verwendung des Zusatzes "HEIA – Polstermöbelfabrik" kann in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, die gelöschte Firma "Heia – Polstermöbelwerkstätten" sei wiederaufgelebt.
c) Nachträglich unwahr gewordene Firma
Rz. 95
Die Firma muss (im recht verstandenen Sinne) wahr und klar sein. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt jedenfalls für die Firmenneubildung. Er beansprucht aber im Prinzip auch Geltung, wenn eine ursprünglich wahre und klare Firma nachträglich als unwahr einzustufen ist. Die Firma kann nachträglich unwahr werden, weil die tatsächlichen Verhältnisse, die Rspr. in der Gesetzesauslegung, der Sprachgebrauch oder die Verkehrsauffassung sich ändern.
d) Abgeleitete Firma
Rz. 96
Handelt es sich um eine abgeleitete Firma, wird der Grundsatz der Firmenwahrheit durch §§ 21, 22 und 24 HGB relativiert (s. dazu genauer unten Rdn 137 ff.).
2. Irreführungseignung
Rz. 97
Irreführungseignung i.S.d. § 18 Abs. 2 HGB ist anzunehmen, wenn eine Angabe bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine unrichtige Vorstellung hervorrufen kann. Die Angabe muss nur zur Täuschung geeignet, eine Täuschung nicht tatsächlich eingetreten sein. Im Gegensatz zu der bisherigen Regelung wird ein umfassendes Irreführungsverbot für alle Firmenbestandteile einschließlich der Firma als Ganzes, nicht mehr nur der Firmenzusätze festgelegt. Wie nach bisherigem Recht ist unerheblich, ob eine Irreführung beabsichtigt oder bereits eingetreten ist. Maßgebend ist die Eignung zur Täuschung.
Rz. 98
Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage der Irreführungseignung sind die angesprochenen Verkehrskreise. Dabei bedarf die Verkehrsauffassung objektiver Eingrenzung. Von dem (gedachten) Durchschnittsadressaten ist zu fordern, dass er sich um Erkenntnis bemüht und kritisch überlegt, welches der richtig verstandene Aussagewert einer Firma sein kann und soll. Für die Gefahr einer Täuschung ist nicht von einem einfältigen, dummen, desinteressierten und unaufmerksamen Verkehrsteilnehmer auszugehen, sondern von einem kritischen, aufmerksamen und "umsichtigen", der in viel geringerem Umfang des gerichtlichen Schutzes bedarf als bisher angenommen und praktiziert.