Rz. 84
Teilweise wird das Kriterium der Unterscheidungskraft nicht genau von der Kennzeichnungseignung getrennt. Die abstrakt zu beurteilende Unterscheidungskraft beinhaltet die Individualisierungsfunktion der Firma. Sie muss allgemein gesehen geeignet sein, ihren Inhaber (Unternehmensträger) von anderen Personen (Unternehmensträgern) zu unterscheiden. Damit stellt das Gesetz auf ein Kriterium ab, das im Markenrecht zentrale Bedeutung hat (vgl. §§ 3, 5 Abs. 2, 15 Abs. 3 MarkenG). Unterscheidungskraft setzt danach eine zur Unterscheidung des Unternehmens von anderen ausreichende Eigenart voraus. Diese ist gegeben, wenn die Bezeichnung vom Verkehr als individualisierender Herkunftshinweis auf das Unternehmen aufgefasst wird.
Die Frage der Unterscheidungskraft überschneidet sich mit dem ebenfalls aus dem Kennzeichnungsrecht bekannten sog. Freihaltebedürfnis. Dieses dürfte wegen der Anlehnung des Firmenrechts an die kennzeichnungsrechtliche Terminologie auch im Firmenrecht berücksichtigt werden müssen, sodass an die Individualisierungskraft der Firma nicht zu geringe Anforderungen zu stellen sind.
Davon abzugrenzen ist das konkrete Unterscheidbarkeitserfordernis nach § 30 HGB, wonach eine Firma mit einer bereits im Handelsregister eingetragenen anderen Firma am gleichen Ort nicht konkret verwechslungsfähig sein darf. Danach prüft das Registergericht konkret die "deutliche Unterscheidbarkeit" ggü. den schon im Register eingetragenen Firmen.
Rz. 85
Die Individualisierungsfunktion muss nach § 18 Abs. 1 HGB n.F. aber nur abstrakt, nicht mehr konkret sein. Denn es wird nicht mehr das Anliegen des Abs. 1 a.F. verfolgt, die konkrete Identität des Trägers eines kaufmännischen Unternehmens aus der obligatorischen Personenfirma möglichst ableiten zu können. Dies zeigt sich schon an der Zulassung von Sach- und Fantasiefirmen. Wer konkret den Unternehmer oder die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft erkennen will, muss Einblick ins Handelsregister nehmen. § 37a HGB fördert insoweit die Registerpublizität, da Kaufleute danach auf den Geschäftsbriefen zur Angabe des Ortes der Hauptniederlassung, des Registergerichts und der Nummer des Registerblattes verpflichtet sind.
Fehlende Unterscheidungskraft i.S.v. Abs. 1 kann gleichzeitig den Tatbestand der Eignung zur Irreführung erfüllen. I.R.d. Prüfung nach Abs. 1 sind die Merkmale "wesentlich" und "ersichtlich" nicht heranzuziehen. Wird die Unterscheidungskraft verneint, bedarf es aber keiner weiteren Prüfung nach § 18 Abs. 2 HGB.
1. Sachfirma
a) Branchen- oder Gattungsbezeichnungen
Rz. 86
Nichtssagende Bezeichnungen wie reine Branchenangaben genügen nicht und sind unzulässig. Die Firma muss zur Individualisierung geeignet sein, was bei Branchen- oder Gattungsbezeichnungen nicht der Fall ist. Auch nach neuem Recht können allein mit Branchenangaben wie "Gaststätten", "Bau" oder "Transport" keine Sachfirmen gebildet werden. Darüber hinaus liegt in Gattungsbezeichnungen die "Selbstberühmung", das einzige oder eines der bedeutendsten Unternehmen innerhalb seiner Gattung zu sein. Außerdem spricht das Freihaltebedürfnis des Verkehrs dagegen, Branchen- oder Gattungsbezeichnungen genügen zu lassen.
Beispiele: Nicht eintragungsfähige Sachfirmen
"Stapler-Vermietung", "Gebäudereinigung", "Eisenhandel", "Mineralölvertrieb" oder "Bauland".
An der Grenze liegt eine Entscheidung des BayObLG, nach der "inter-handel" zulässig sein soll, weil eine "gewisse Eigentümlichkeit" nicht zu verkennen sei. Zulässig als nicht nur beschreibende Gattungsbezeichnung sind aber die Firmenbestandteile "Floratec" und "meditec".
Auch die Begründung zum RegE spricht für die hier vertretene Meinung. Es heißt dort, die Unterscheidungskraft von Fantasiefirmen könne durchaus größer sein als die von Sachfirmen, die dem Unternehmensgegenstand entnommen sind. Sachfirmen seien nämlich wegen ihres von ihrer Natur her eher beschreibenden Charakters bei Unternehmen, die in dem gleichen Wirtschaftssektor tätig sind, zwangsläufig dem Risiko fehlender Unterscheidungskraft ausgesetzt.
Rz. 87
Individualisierende Zusätze können Gattungsfirmen aber unter bestimmten Umständen zulässig machen. Insoweit kommen zunächst Fantasiebezeichnungen in Betracht und auch Ortsnamen,