I. Allgemeine Grundsätze
1. Firmenstatut
Rz. 220
Nach bisher h.M. richtet sich die Frage, wie die Firma zu bilden ist (sog. Firmenstatut) bei einzelkaufmännischen Unternehmen nach dem Recht des Unternehmenssitzes. Die Firma der juristischen Person und von Handelsgesellschaften bestimmt sich nach dem Gesellschaftsstatut, also nach bisher h.M. nach dem Recht, das am Sitz der Hauptverwaltung des Unternehmens gilt. Die §§ 17 ff. HGB gelten danach unmittelbar nur für solche Kaufleute und Handelsgesellschaften, die ihre Niederlassung bzw. ihren Sitz im Inland haben. Für Unternehmen mit Verwaltungssitz bzw. Niederlassung im Ausland ist das jeweilige ausländische Recht anwendbar. Die geplante Reform des internationalen Gesellschaftsrechts wird auch Auswirkungen auf das Firmenrecht haben. Der RefE von 2008 sah nämlich ganz allgemein die Anknüpfung der Firma an das Gründungsrecht vor.
2. Anknüpfung bei EG-Mitgliedstaaten
Rz. 221
Ob diese Anknüpfung im Lichte der neueren EuGH-Rspr. zum Gesellschaftsstatut für Gesellschaften aus europäischen Staaten noch Gültigkeit haben kann, muss kritisch überprüft werden. Die EU-Mitgliedstaaten sind nämlich nach Art. 49 und 54 AEUV verpflichtet, im Fall einer Sitzverlegung die Rechts- und Parteifähigkeit einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates wirksam gegründeten Gesellschaft zu achten, "die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaates besitzt". Darüber hinaus verbietet die Niederlassungsfreiheit auch, den Niederlassungsberechtigten an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit in diskriminierender Weise zu behindern oder diese weniger attraktiv zu machen. Einer Gesellschaft aus dem EU-Ausland muss es "ohne Wenn und Aber" möglich sein, eine Zweigniederlassung eintragen zu lassen, ohne dass zusätzliche Anforderungen gestellt werden dürfen. Auch die Bindung der Firmenbildung an das deutsche Firmenrecht kann eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen, wenn die betroffene Gesellschaft nach ausländischem Recht rechtmäßig firmiert.
Im Anwendungsbereich der Art. 49 und 54 AEUV folgt die inzwischen wohl h.M. der Gründungstheorie und nicht mehr der Sitztheorie als Kollisionsnorm. Es spricht daher vieles dafür, auch für das Firmenstatut nicht mehr an den Verwaltungssitz anzuknüpfen. Entscheidend für die Frage der zulässigen Bildung einer Firma ist danach das Recht des Gründungsstaates. Ansätze in der Lit., die für das Firmenstatut aufgrund einer ordnungsrechtlichen Qualifikation ganz allgemein eine gebietsbezogene Anknüpfung der Firmenberechtigung befürworten, erscheinen daher im Lichte der neuen EuGH-Rspr. problematisch. Auch kann es nicht jedem Mitgliedstaat selbst überlassen werden, durch gesellschaftskollisionsrechtliche Regelungen bestimmte Bereiche, wie z.B. das Firmenrecht, dem Gesellschaftsstatut zu entziehen und damit die Reichweite der Niederlassungsfreiheit durch Art. 49 und 54 AEUV selbst zu bestimmen.
Aus diesen verstärkten europarechtlichen Aspekten der Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen je nach Art des Auftretens eines ausländischen Unternehmens im deutschen Rechtsverkehr mit einem Tochterunternehmen, einer Zweigniederlassung, einer unselbstständigen Betriebsabteilung bzw. Verkaufsstelle oder selbst im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr.