Frank-Michael Goebel, Claudia Wagener-Neef
1. Einmaligkeit der Gebühr auch bei mehreren Auftraggebern
Rz. 107
Ist der RA in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, erhält er die Gebühren gem. § 7 Abs. 1 RVG nur einmal. Die erste Frage der Gebührenoptimierung ist also immer, ob überhaupt dieselbe Angelegenheit für jeden der mehreren Auftraggeber vorliegt.
Rz. 108
§ 15 Abs. 2 S. 1 RVG regelt, dass der RA die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann (§ 2 Rdn 65 ff.). Mit § 7 Abs. 1 RVG wird bestimmt, dass auch eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber nicht zu einer Vermehrung der Gebühren führt. Das wird der tatsächlichen anwaltlichen Tätigkeit aber nicht gerecht.
Rz. 109
Größerer Aufwand und höheres Haftungsrisiko
Der Gesetzgeber lässt deshalb nicht unberücksichtigt, dass es für den RA einen erhöhten Aufwand bedeutet, wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird. Er muss mit mehreren Personen kommunizieren, von diesen Informationen entgegennehmen und Widersprüche klären sowie Unterlagen mehrfach versenden. Ferner kann es bei der Vertretung mehrerer Personen zu einem höheren Haftungsrisiko des RA kommen. Diesen Mehraufwand erfasst Nr. 1008 VV RVG. Voraussetzungen für das Entstehen der Erhöhungsgebühr sind mehrere Auftraggeber betreffend denselben Gegenstand. Ob sich tatsächlich ein erhöhter Aufwand während der Tätigkeit ergibt, ist nicht von Bedeutung.
2. Bezeichnung als "Erhöhungsgebühr"
Rz. 110
Mit der Bezeichnung "Erhöhungsgebühr" wird der Anschein erweckt, es handele sich bei der Gebühr gem. Nr. 1008 VV RVG um eine selbstständige Gebühr. Dies ist nicht der Fall, da Nr. 1008 VV RVG besagt, dass sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um einen Satz von 0,3, bei Festgebühren um 30 % und bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 % erhöht. Es findet eine Gebührenerhöhung statt. Eine Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG kann dementsprechend nie isoliert stehen. Die erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr stellt eine einheitliche Gebühr dar. Dies spiegelt sich auch in der gebräuchlichsten Benennung der Gebühren z.B. in Literatur, der Rechnung oder im Festsetzungsverfahren wider:
Rz. 111
Beispiel
Verfahrensgebühr gem. Nrn. 3305, 1008 VV RVG (1,3)
3. Mehrere Personen
Rz. 112
Eine Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG erfolgt auch nur, wenn mehrere Personen die anwaltliche Tätigkeit gemeinschaftlich beauftragen. Es muss sich um mehrere Personen im Rechtssinne handeln, also entweder juristische oder natürliche Personen.
Rz. 113
Der Begriff des "Auftraggebers" i.S.v. § 7 Abs. 2 RVG und Nr. 1008 VV RVG ist nicht identisch anzuwenden. § 7 Abs. 2 RVG bezieht sich auf den Auftraggeber, der zur Zahlung der Vergütung des RA verpflichtet ist. Auftraggeber i.S.d. Nr. 1008 VV RVG sind die Personen, deren Rechtsangelegenheiten erledigt werden sollen. In vielen Fällen sind die Personen, die den Auftrag erteilen, identisch mit den Personen, deren Rechtsangelegenheit bearbeitet werden soll, wie z.B. beide Eheleute beauftragen den RA, eine gegen sie herangetragene gesamtschuldnerische Forderung abzuwehren (zwei Auftraggeber gem. Nr. 1008 VV RVG). Denkbar ist aber auch, dass mehrere Personen Auftraggeber sind und der RA nur die Interessen einer Person vertritt. Dies ist z.B. dann gegeben, wenn beide Elternteile den RA mit der Durchsetzung einer Schadensersatzforderung ihres Sohnes beauftragen. Bei dieser Konstellation hat der RA den Anspruch des Sohnes zu realisieren, mithin nur einer Person, so dass eine Erhöhung der Gebühr nicht stattfindet. Umgekehrt kann es vorkommen, dass ein Gesellschafter einer GbR den RA beauftragt, seine eigenen Interessen, die des Mitgesellschafters sowie die der GbR wahrzunehmen. Bei einer Person, die den Vertretungsauftrag erteilt hat, ergeben sich drei Personen i.S.v. Nr. 1008 VV RVG.
Nachfolgend Beispiele für das Vorliegen von Personenmehrheit:
Rz. 114
Beispiele
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Eheleute sind zwei natürliche Personen, |
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GbR zusammen mit einem oder mehreren Gesellschaftern (die GbR isoliert stellt keine Personenmehrheit dar, da sie nach der Rspr. rechtsfähig ist), |
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WEG zusammen mit einzelnen Eigentümern (die WEG isoliert stellt keine Personenmehrheit dar, da sie nach der Rspr. teilrechtsfähig ist), |
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OHG und ihre Gesellschafter (§§ 124, 128 HGB), |
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KG und der Komplementär, wobei die Komplementärin auch eine GmbH sein kann (GmbH & Co. KG) (§ 161 HGB), |
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Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), |
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Gesamtschuldner (§ 421 BGB), |
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Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB), |
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Streitgenossen, |
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Vertreter = jede Art von Vertreter, auch gesetzlich; entscheidend ist die Anzahl der Vertretenen. Der Vertreter bleibt bei der Berechnung der Personenanzahl unberücksichtigt. |
Rz. 115
Keine Personenmehrheit liegt vor:
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Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit wie OHG, KG, GbR, eingetragene Partnerschaftsgesellschaft, auch nicht rechtsfähige Vereine (wg. § 54 S. 1 BGB) und Vor-GmbH, soweit sie den Auftrag isoliert erteilen und nicht auch ihre Gesellschafter persönlich den Auftrag erteilen; |
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Partei kraft Amtes wie Testamentsvo... |