Rz. 158

 

§ 49 GKG Beschlussklagen nach dem Wohnungseigentumsgesetz

Der Streitwert in Verfahren nach § 44 Absatz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes ist auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen.

 

Rz. 159

Der Gegenstandswert nach § 49 GKG ist durch die Bestimmung des Gesamtinteresses unter Beachtung von Ober- und Untergrenzen gekennzeichnet. Die Obergrenzen dienen der Begrenzung des Kostenrisikos insbesondere für einzelne beteiligte Wohnungseigentümer. Diese Berechnungsform gilt nunmehr ausschließlich für Beschlussklagen.

Bei der Ermittlung des Gegenstandswertes ist dabei wie folgt vorzugehen:

 

Beispiel:

Eine WEG besteht aus 10 Miteigentümern. Der Eigentümer Erich Igen ist mit 150/1000 beteiligt.

Die WEG beschließt die Modernisierung der Heizungsanlage und damit verbunden eine Modernisierungsumlage von 10.000,00 EUR. E. Igen ficht den Beschluss an. Siegfried Elf mit einem Anteil von 80/1000 tritt dem E. Igen bei. Die Klage richtet sich gegen die WEG.

1. Gesamtinteresse und Eigeninteresse

 

Rz. 160

Zunächst ist das Gesamtinteresse der Beteiligten zu bestimmen. Dieses setzt sich zusammen aus dem Eigeninteresse jeder einzelnen Partei. Mit der Abschaffung der Beiladung sind die Interessen dieser Personen nicht mehr zu berücksichtigen. Die einzelnen Streitwerte werden addiert, sofern sie nicht den gleichen Streitgegenstand betreffen.[162]

 

Beispiel:

Die einzelnen Interessen setzen sich wie folgt zusammen:

 
Interesse des E. Igen 150/1000 von 10.000,00 EUR 1.500,00 EUR
Interesse des S. Elf 80/1000 von 10.0000,00 EUR 800,00 EUR
Interesse der übrigen WEG-Eigentümer 770/1000 von 10.000,00 EUR 7.700,00 EUR
  10.000,00 EUR

Das Gesamtinteresse bemisst sich damit am Wert der Maßnahme.[163]

Bei bezifferten Klagen ist für die Bestimmung des Gesamtinteresses § 23 Abs. 1 RVG, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO anzuwenden und der Nennwert auf den im Klageantrag bezifferten Betrag anzusetzen. Gleiches gilt, wenn die WEG bezifferte Ansprüche eines Miteigentümers zurückweist und der Zurückweisungsbeschluss angefochten werden soll.[164]

 

Rz. 161

Wendet sich der Rechtsstreit gegen einen Beschluss über die Durchführung von Maßnahmen, richtet sich das Gesamtinteresse nach dem Erhaltungsinteresse der Partei, die die Durchführung der Maßnahme ablehnt und dem Beseitigungsinteresse der die Umsetzung fordernden Partei. Das Erhaltungsinteresse beschreibt das wirtschaftliche Interesse an der Beibehaltung einer Maßnahme. Hier können z.B. Beseitigungskosten, Wertverlust oder Mindereinnahmen durch die Beseitigung veranschlagt werden. Das Beseitigungsinteresse beschreibt das wirtschaftliche Interesse an der Beseitigung der Maßnahme, wie etwa ein drohender Wertverlust oder mögliche Schäden durch die Beibehaltung.

[162] Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, § 49a GKG Rn 5.
[163] KG, Beschl. v. 10.9.2013 – 4 W 40/30.
[164] BGH, Beschl. v. 19.6.2013 – V ZB 182/12, www.bundesgerichtshof.de.

2. Siebeneinhalbfaches Eigeninteresse

 

Rz. 162

Das zunächst gebildete Gesamtinteresse bildet den Gegenstandswert. Dieser Gegenstandswert ist allerdings begrenzt. Die erste Grenze wird durch das siebeneinhalbfache Eigeninteresse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen gebildet.

 

Beispiel:

Das Interesse des Klägers und des beigetretenen errechnet sich wie folgt:

 
Interesse des E. Igen 150/1000 von 10.000,00 EUR 1.500,00 EUR
Interesse des S. Elf 80/1000 von 10.0000,00 EUR 800,00 EUR
  2.300,00 EUR

Das siebeneinhalbfache von diesem Wert beträgt 17.250,00 EUR und liegt oberhalb des Gesamtinteresses. Diese Grenze ist hier folglich nicht anzuwenden. Es bleibt beim Gegenstandswert 10.000,00 EUR.

3. Obergrenze Verkehrswert des Eigentums

 

Rz. 163

Der Gegenstandswert darf weiterhin nicht höher liegen, als der Verkehrswert des Eigentums der Kläger und auf Klägerseite beigetretenen Parteien. Hier hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es zu einer Addition der Verkehrswertanteile der Klägerseite kommen soll und nicht, dass nur der höchste Verkehrswert ausschlaggebend sein soll.

 

Beispiel:

Der Wert des Teileigentums von E. Igen beträgt ca. 100.000 EUR, der des S. Elf nur 50.000 EUR. Die Kosten der Maßnahme, die das Gesamtinteresse bilden, erreichen diese Obergrenze nicht. Folglich bleibt es bei einem Streitwert von 10.000,00 EUR.

 

Rz. 164

Der Verkehrswert entspricht dem durchschnittlichen Marktpreis, der sich unter Beachtung von Aspekten, wie Lage, rechtlichen Gegebenheiten tatsächliche Eigenschaften und Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Ermittlung erzielen lässt; § 194 BauGB.

Der Verkehrswert der Immobilie kann dabei

durch Vergleich mit ähnlichen Objekten (Vergleichswert),
durch die Ermittlung möglicher Erträge aus der Immobilie z.B. in Form von Mieteinnahmen gemessen an einem bestimmten Zeitraum unter Berücksichtigung des Bodenwertes (Ertragswert) oder
durch schlichte Ermittlung der Sachwerte (Sachwertverfahren)
ermittelt werden.
 

Rz. 165

Der Gesetzgeber gibt keiner der Methoden den Vorzug. Das Ge...

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