1. Ermittlung des Gebührenstreitwertes
Rz. 5
Die Bestimmung des Gegenstandswertes zur Berechnung der Anwaltskosten erfolgt durch die Trennung der Streitigkeiten nach gerichtlich durchsetzbaren Streitigkeiten – § 23 Abs. 1 RVG mit Verweis auf GKG und ZPO und nicht gerichtlich durchsetzbaren Streitigkeiten; § 23 Abs. 3 RVG mit Verweis auf GNotKG. Die Unterscheidung erfolgt schlicht nach der Frage, ob ein Anspruch durchgesetzt werden soll oder eine anderweitige anwaltliche Tätigkeit vorliegt. Nur im Falle der Geltendmachung eines Anspruches, also des Rechtes von einem anderen, ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen, kann auch gerichtlich vorgegangen werden.
Beispiel:
Rechtsanwalt C. Lever wird beauftragt, nach Kündigung einer Mietwohnung ein Räumungsverfahren durchzuführen. Hier soll der Herausgabeanspruch der Wohnung durchgesetzt werden. Der Gegenstandswert errechnet sich für die gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 41 Abs. 1 GKG. Er beträgt ein Jahresnettoentgelt.
Sind sich die Parteien über die Beendigung des Mietverhältnisses aber schon einig und soll der Rechtsanwalt eine Aufhebungsvereinbarung treffen, so richtet sich der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 99 GNotKG.
Rz. 6
Je nachdem wie der Gegenstandswert zu ermitteln ist, sind die Vorschriften des RVG, des GKG oder anderer Gesetze vorrangig zu behandeln. Da die Gegenstandswertermittlung regelmäßig sehr unübersichtlich ist, mag folgende Übersicht zur Orientierung dienen.
Aus dieser unterschiedlichen Gewichtung folgt, dass der Gerichtskostenstreitwert in der Regel dem Anwaltskostenstreitwert entspricht, es sei denn, dass das RVG Spezialregeln enthält; z.B. die Reduzierung des Streitwertes auf 20 % des Forderungsbetrages bei einer reinen Ratenzahlung nach § 31b RVG.
Beispiel:
Streitig ist die wirksame Kündigung eines für 10 Jahre abgeschlossenen Garagenmietvertrages zu einem Preis von monatlich 100,00 EUR. Streitig sind nur noch 6 Jahre.
Der Zuständigkeitsstreitwert bemisst sich nach § 8 ZPO und errechnet sich aus den Mietzahlungen der verbleibenden 6 Jahre (6 Jahre x 12 Monate x 100,00 EUR =) 7.200,00 EUR. Der Streitwert ist auf 25 Jahre gedeckelt.
Der Gebührenstreitwert für das Gerichtsverfahren errechnet sich nach § 41 Abs. 1 GKG und der Gebührenstreitwert für die Rechtsanwaltskosten über § 23 Abs. 1 S. 1 RVG auch nach § 41 Abs. 1 GKG. Hier ist der Streitwert auf den Jahresbetrag der streitigen Miete gedeckelt und beträgt damit (1 Jahr x 12 Monate x 100,00 EUR =) 1.200,00 EUR.
Wird der Rechtsanwalt beauftragt, einen Aufhebungsvertrag zu entwerfen, richten sich die Gebühren nach § 23 Abs. 3 RVG i.V.m. § 99 Abs. 1 und 2 GNotKG. Hier ist auch der wirtschaftliche Wert der Mietsache – also die vereinbarten Mietzahlungen – ausschlaggebend. Der Betrag ist aber auf 20 Jahre gedeckelt. Der Gegenstandswert würde hier also auch (6 Jahre x 12 Monate x 100,00 EUR =) 7.200,00 EUR betragen.
2. Streitwertfestsetzung im Prozess
Rz. 7
Prozessual wird diese materiell-rechtliche Regelung durch das Verfahren der Streitwertfestsetzung nach §§ 32 und 33 RVG ergänzt. Diese Regeln gelten nur soweit der Streitgegenstand gerichtlich anhängig gemacht wurde. Hat das Gericht hierzu den Streitwert festgesetzt, ist der Rechtsanwalt daran gebunden. Das gilt auch dann, wenn die Festsetzung gesetzeswidrig erfolgte. Die Bindung gilt nur insoweit, wie der Streitgegenstand vom Beschluss erfasst worden ist. Vorgerichtliche Tätigkeiten sind nur soweit betroffen, wie sie auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sind. Weitere Gegenstandswerte, die nicht in das Verfahren aufgenommen wurden, sind dabei zunächst nicht von der Bindungswirkung erfasst.
Rz. 8
Um die Festsetzung des Streitwertes für das Gericht zu erleichtern, ist gem. § 61 GKG ist der Streitwert in der Klageschrift anzugeben, sofern dieser nicht bereits im Klageantrag beziffert worden ist. Diese Pflicht ist allerdings sanktionslos. Vorherige Angaben können jederzeit korrigiert werden. Es empfiehlt sich aber gerade bei strittiger Streitwertberechnung, dem Gericht die eigene Berechnung vorzuschlagen und zu erläutern, um so die Übernahme in den Streitwertbeschluss zu erleichtern.
Achtung!
Wenn Fristen einzuhalten sind, empfiehlt es sich, die Streitwertangabe auf jeden Fall vorzunehmen. Wird die Klage wegen weiterem Schriftwechsel zur Frage des Streitwertes nicht alsbald zugestellt, kann es so zum Versäumnis der Frist und damit zum Haftungsfall kommen.
Rz. 9
Aufgrund der Angaben in der Klageschrift erfolgt eine vorläufige Streitwertfestsetzung. Diese kann jederzeit durch das Gericht oder Rechtsmittelgericht korrigiert werden, bis die Entscheidung in der Hauptsache 6 Monate Rechtskraft erlangt hat. Sie dient zunächst der Festsetz...