Rz. 72
Verlangt der Verbraucher vom Unternehmer Nacherfüllung, so hat dieser nach § 327l Abs. 1 Satz 1 BGB in Umsetzung von Art. 14 Abs. 2 Digitale-Inhalte-RL
▪ |
den vertragsgemäßen Zustand (unentgeltlich, vgl. Art. 14 Abs. 3 Digitale-Inhalte-RL: Der Unternehmer hat entstehende Aufwendungen selbst zu tragen) herzustellen und |
▪ |
die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen. |
Beachte
Art. 14 Abs. 2 Digitale-Inhalte-RL trifft keine Differenzierung zwischen "Nachbesserung" und "erneuter Bereitstellung", womit es im Ermessen des Unternehmers liegt, wie er die Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts wiederherstellt.
Achtung
Anders als im Kaufrecht hat der Verbraucher kein Wahlrecht: Er bestimmt also nicht die Art der Nacherfüllung. Vielmehr bestimmt der Unternehmer die Form der Nacherfüllung (bei freier Wahl der Mittel, etwa Übermittlung einer aktualisierten Version eines digitalen Produkts oder durch erneute Bereitstellung einer fehlerfreien Kopie). Der Ausschluss des Wahlrechts zugunsten des Käufers liegt in der Eigenart digitaler Produkte begründet: So wird der Unternehmer dem Nachbesserungsverlangen des Verbrauchers wohl regelmäßig durch die Bereitstellung einer mangelfreien Kopie Rechnung tragen. Das geht schnell und ist auch angemessen. Die Unterschiede zwischen Nachbesserung und Bereitstellung verschwimmen bei digitalen Produkten.
Rz. 73
Das Nacherfüllungsverlangen des Verbrauchers kann formfrei (auch mündlich) ohne Verwendung der Begrifflichkeit "Nacherfüllung" erfolgen, etwa durch Schilderung der die Vertragswidrigkeit aus Verbrauchersicht ausmachenden Tatsachen verbunden mit der Bitte um Abhilfe.
Beachte
Da der Unternehmer nach § 327l Abs. 1 Satz 1 BGB den vertragsmäßigen Zustand "unentgeltlich" herbeizuführen hat, sind auch die für ggf. eine Tätigkeit Dritter (Einbindung anderer Personen durch den Unternehmer zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten) anfallenden Kosten für den Verbraucher unentgeltlich. Selbst eine mittelbare Kostenbelastung des Verbrauchers (Kostenabwälzung) ist ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere andere Kosten (bspw. Netzübertragungskosten beim Download einer bereitgestellten mangelfreien Version): Eine Kostenabwälzung muss ausscheiden, da der Regelungszweck darin besteht, "den Verbraucher von allen entstehenden Kosten der Nacherfüllung freizuhalten, weil ihn diese von der Durchsetzung seines Rechts abhalten könnten, zumal er auf die vom Unternehmer gewählte Form der Nacherfüllung keinen Einfluss hat".
Der Unternehmer hat – in Konkretisierung der ihn treffenden Verpflichtung – die Nacherfüllung gemäß § 327l Abs. 1 Satz 2 BGB
▪ |
innerhalb einer "angemessenen Frist" ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel informiert hat (ohne feste Fristvorgabe – obgleich die Parteien im Einzelfall auch eine "angemessene Frist" für die Herstellung des vertragsmäßigen Zustandes vereinbaren können, vgl. Erwägungsgrund 64 der Digitale-Inhalte-RL) und |
▪ |
ohne "erhebliche Unannehmlichkeiten" für den Verbraucher durchzuführen. Eine erhebliche Unannehmlichkeit kann sich etwa daraus ergeben, dass der Verbraucher zur Ermöglichung der Nacherfüllung erhebliche Änderungen an anderer Software oder Hardware vornehmen muss. |
Beachte
Eine "unangemessen" (kurze) Frist "setzt, wie auch sonst, eine angemessen lange Frist in Gang".
Rz. 74
Der Anspruch auf Nacherfüllung ist gemäß § 327l Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen (Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs), wenn die Nacherfüllung für den Unternehmer
▪ |
(tatsächlich oder rechtlich) unmöglich (Art. 14 Abs. 2 Digitale-Inhalte-RL, vgl. dazu die Wertungen in § 275 Abs. 1 BGB [nicht jedoch jene in § 275 Abs. 2 und 3 BGB, da diese in der Digitale-Inhalte-RL keinen Anhalt finden], wobei eine "enge Auslegung geboten [ist], da der Unternehmer auf den Einwand der unverhältnismäßigen Kosten ausweichen [könnte]") oder |
▪ |
nur mit unverhältnismäßigen Kosten (wobei teilweise die zu § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB ergangene Judikatur berücksichtigt werden kann) |
möglich ist.
Beachte
"Die Unmöglichkeit der Nacherfüllung rechtfertigt dabei die Vertragsbeendigung aus sich heraus".
Rz. 75
In Bezug auf die "Unverhältnismäßigkeit der Kosten" sind nach § 327l Abs. 2 Satz 2 BGB in Umsetzung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. a und b Digitale-Inhalte-RL insbesondere der Wert des digitalen Produkts in mangelfreiem Zustand sowie die Bedeutung des Mangels (als abwägungserhebliche Tatsachen) zu berücksichtigen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass dem Verbraucher im Hinblick auf die dem Unternehmer zur Verfügung stehenden Nacherfüllungsmöglichkeiten kein Wahlrecht zusteht (vorstehende Rdn 72).
Die Leistungsverweigerungsrechte nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB finden gemäß § 327l Abs. 2 Satz 3 BGB keine Anwendung.
Rz. 76
Beachte
Verweigert der Unternehmer die Nacherfüllung, kann der Verbraucher den Vertrag nach § 327m Abs. 1 Nr. 5 BGB (unter Rdn 77) beenden.