Rz. 9
Infolge von Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen ist es zu einer Neufassung von § 312 BGB (Anwendungsbereich von Verbraucherverträgen) gekommen.
Nach § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Vorschriften der Kapitel 1 (Anwendungsbereich und Grundsätze bei Verbraucherverträgen, §§ 312–312a BGB) und Kapitel 2 (Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge, §§ 312b–h BGB) des Untertitels 2 (Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besonderen Vertriebsformen) nur auf Verbraucherverträge beschränkt, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet.
Rz. 10
Ein Verbrauchervertrag ist nach der Legaldefinition des § 310 Abs. 3 BGB ein Vertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB).
Der Regelungsgehalt des ersten Untertitels erfasst also nur die Beziehung B2C: Verbraucherverträge über digitale Produkte.
Verbraucher ist nach § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Unternehmer ist gemäß § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist nach § 14 Abs. 2 BGB eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Rz. 11
Der Preis ist eine vereinbarte Geldleistung. "Sofern die Vertragsparteien als Gegenleistung die digitale Darstellung eines Wertes vereinbart haben, dürfte jedoch auch diese im Art. 2 Nr. 9 Digitale-Inhalte-RL erwähnte Leistung die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auslösen, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der VerbrRRL niedergelegt ist".
Die genannten Regelungen sind gemäß § 312 Abs. 1a Satz 1 BGB, der die Bedingungen normiert, unter denen die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB auf Verträge anwendbar sind, bei denen "mit Daten bezahlt" wird, auch auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO
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bereitstellt (i.w.S., bspw. auch wenn der Unternehmer Cookies setzt oder Metadaten wie Informationen zum Gerät des Verbrauchers oder zum Browserverlauf erhebt) oder |
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sich hierzu verpflichtet. |
Rz. 12
Exkurs: Verhältnis zum Datenschutzrecht
§ 312a Abs. 1a BGB ist unabhängig vom geltenden Datenschutzrecht, d.h. der
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DSGVO und dem |
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BDSchG. |
So nimmt die Regelung – "wenngleich sich gewisse Parallelen und Zusammenhänge natürlich aufdrängen" – keinen expliziten Bezug auf Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 9 Abs. 2 DSGVO. "Zumindest keine explizite Stellung nehmen die Digitale-Inhalte-RL und die RL 2161/2019/EU auch zur Reichweite des Kopplungsverbots in Art. 7 Abs. 4 DSGVO, wenngleich die Regelungen implizit kaum anders verstanden werden können, als dass sie das Geschäftsmodell "Bezahlen mit Daten" zumindest in Grundzügen legitimieren".
Infolgedessen bleiben die Verbraucherrechte nach Maßgabe der DSGVO (bzw. anderer datenschutzrechtlicher Regelungen) von den §§ 327 ff. BGB unberührt und vice versa.
"Auf die Frage der datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung kommt es für die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB nicht an", da es dem erklärten Ziel der Regelungen widersprechen würde, wenn der Verbraucher nicht in den Genuss der verbraucherschützenden Vorschriften kommen würde, weil sich der Unternehmer rechtswidrig verhält und der Verbraucher hierauf keinen Einfluss nehmen kann.
Vgl. aber § 327q BGB zu den vertragsrechtlichen Folgen datenschutzrechtlicher Erklärungen des Verbrauchers, der die "Unabhängigkeit von Vertrags- und Datenschutzrecht (…) noch einmal untermauert": Die Ausübung von datenschutzrechtlichen Betroffenheitsrechten und die Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen (bspw. der Widerruf der Einwilligung nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO oder die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß Art. 21 DSGVO) lassen nach § 327q Abs. 1 BGB die Wirksamkeit des Vertrags unberührt. Widerruft allerdings der Verbraucher eine von ihm erteilte datenschutzrechtliche Einwilligung oder widerspricht er einer weiteren Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten, so kann der Unternehmer gemäß § 327q Abs. 2 BGB einen Vertrag, der ihn zu einer Reihe einzelner Bereitstellungen digitaler Produkte oder zur dauerhaften Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn ihm unter Berücksichtigung des weiterhin zulässigen Umfangs der Datenverarbeitung und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ablauf einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist nicht zug...