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Grundsätzlich wird der Anwalt mit den Problemen der Auslegung von letztwilligen Verfügungen erst nach Eintritt des Erbfalls konfrontiert, z.B. im Rahmen einer Erbauseinandersetzung oder einer Erbenfeststellungsklage. Die Auslegungsregeln sind aber gleichermaßen auch bei der Gestaltung letztwilliger Verfügungen von Bedeutung. Ohne Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und ohne Kenntnis der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung führt ein Testament im Erbfall möglicherweise nicht zu dem gewünschten Ziel.

Auslegungsprobleme können sich in den verschiedensten Bereichen ergeben. So kann beispielsweise nicht nur der Inhalt einer letztwilligen Verfügung (Erbeinsetzung oder Vermächtnis), sondern auch die Fragen, ob überhaupt eine letztwillige Verfügung vorliegt und um welche Art von Verfügung es sich handelt, streitig sein.[1]

Der Auslegung zugänglich sind dabei nicht nur privatschriftliche Testamente, sondern auch notariell errichtete letztwillige Verfügungen von Todes wegen. So hat das OLG Frankfurt[2] bspw. ausgeführt, dass die notarielle Belehrungspflicht (§ 17 BeurkG) die Möglichkeit, dass der vom Notar formulierte Wortlaut des Testaments den Willen der Testierenden nur unpräzise erfasst, nicht ausschließt. Streitigkeiten der Parteien über die Auslegung letztwilliger Verfügungen können nach h.M. durch einen sog. Auslegungsvertrag geklärt werden.[3]

[1] Vgl. OLG Köln FamRZ 1995, 1301.
[2] OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.2010 – 20 W 234/09.

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