Rz. 15

Eine umstrittene Situation kann sich ergeben, wenn der Erblasser seine Ehefrau als Erbin eingesetzt hat und nach seiner Scheidung vergessen hat, die Verfügung von Todes wegen abzuändern bzw. zu widerrufen. Hier stellt sich die Frage, ob der Erblasser die Verfügung auch für den Fall der Scheidung getroffen hätte (§§ 2268, 2077 BGB). Hat der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments den Fall der Scheidung oder der Nichtigkeit einer Ehe nicht bedacht, so ist sein hypothetischer Wille zu ermitteln.[30] Im Regelfall ist anzunehmen, dass eine Erbeinsetzung nur aufgrund einer eingegangenen Ehe erfolgen sollte, so dass Gegenteiliges nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden kann.[31] Nach § 2077 Abs. 1, Abs. 3 BGB wird vermutet, dass eine letztwillige Verfügung, in der der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam ist, wenn die Ehe nichtig oder vor dem Tode des Erblassers aufgelöst wurde. Gleiches gilt, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen[32] für die Scheidung gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings dann, wenn der Erblasser während des Scheidungsverfahrens verstorben ist und nicht selbst den Scheidungsantrag gestellt hatte (vgl. § 19 Rdn 147 ff.).

[30] BGH FamRZ 1961, 364.
[31] Vgl. zur Frage der Scheidung durch ein DDR-Gericht BayObLG FamRZ 1995, 1088.
[32] OLG München NJW 2013, 3732.

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