Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 10
Dieser Vollmachtstypus erfasst über den Bankverkehr hinaus alle Lebensbereiche des Bevollmächtigten. Sie wird regelmäßig in Form einer sog. Generalvollmacht erteilt und enthält darüber hinaus Regelungen, wie der Vollmachtgeber vertreten werden möchte, wenn infolge von Krankheit oder anderen Umständen ein Betreuungsfall eintritt, er also nicht mehr geschäftlich selbstständig agieren kann.
Rz. 11
Die Vorsorgevollmacht hat den Ruf, besonders anfällig für Erbschleicherei zu sein. Insbesondere bei älteren Menschen oder Menschen mit Demenz, bei denen der Bevollmächtigte ungeprüft machen kann, "was er will", besteht eine hohe Missbrauchsgefahr. Anders dagegen bei gesetzlichen Betreuern, die vor dem Betreuungsgericht über jeden Cent Rechenschaft ablegen müssen.
Rz. 12
Bezüglich des Widerrufs einer Vorsorgevollmacht sind verschiedene Konstellationen denkbar: Der Vollmachtgeber kann die Vorsorgevollmacht jederzeit frei widerrufen. Allerdings tritt die Vorsorgevollmacht meist dann in Kraft, wenn der Vollmachtgeber aus körperlichen und/oder geistigen Gründen nicht mehr in der Lage ist, sich selbst um seine Angelegenheiten zu kümmern; mithin wird auch der Widerruf einer Vollmacht faktisch unmöglich. Ein Widerrufsausschluss in der Vollmachtsurkunde ist zwar möglich, jedoch jedenfalls bei einer Generalvollmacht grundsätzlich unwirksam. Sofern mehrere Personen – jeweils für sich – gleichrangige Generalvollmachten erhalten, ist keiner befugt, die Vollmacht des anderen zu widerrufen. Dies gilt auch dann, wenn der Vollmachtgeber mangels Geschäftsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, selbst über den Widerruf der Vollmacht zu befinden. Eventuell muss dann ein Vollmachtsüberwachungsbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB bestellt werden.
Rz. 13
Es kann auch ein Betreuer für die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden, § 1896 Abs. 3 BGB. Dieser Kontrollbetreuer kann dann auch eine erteilte Vollmacht widerrufen. Voraussetzung für die Bestellung eines Kontrollbetreuers durch einen Dritten ist, dass der Betreute keine Einsichtsfähigkeit mehr besitzt. Der Betreuer kann eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist. Der Aufgabenkreis darf einem Betreuer nur dann übertragen werden, wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen.
Einige grundlegende Änderungen ergeben sich durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht ab dem 1.1.2023. Die Vorsorgevollmacht soll als Instrument privater Rechtsfürsorge weiter gefördert werden. Die neue zentrale Regelung für Vorsorgevollmachten und Kontrollbetreuung findet sich dann in § 1820 BGB n.F. Gegenüber dem bisherigen Recht gibt es u.a. die Möglichkeit, Vorsorgevollmachten vorläufig außer Vollzug zu setzen. Hierzu schafft § 1820 Abs. 4 BGB n.F. die Möglichkeit, dass das Betreuungsgericht anordnen kann, dass die Vollmachturkunde an einen Betreuer herauszugeben ist, wenn die dringende Gefahr besteht, dass der Bevollmächtigte nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet oder aber der Bevollmächtigte den Betreuer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert. Der endgültige Widerruf der Vollmacht ist somit ultima ratio und nach § 1820 Abs. 5 S. 2 BGB n.F. von einer vorherigen Genehmigung des Widerrufs durch das Betreuungsgericht abhängig.
Praxishinweis
Durch die Bestimmung des Testamentsvollstreckers zum Vorsorgebevollmächtigten, und sei es auch nur zum Kontrollbevollmächtigten, lassen sich in der Praxis erhebliche Synergieeffekte erzielen. Der Testamentsvollstrecker ist bei Amtseintritt bereits in den Nachlass eingearbeitet, aufgrund seiner prämortalen Tätigkeit hat er mit sehr viel geringeren Aktzeptanzproblemen bei Geschäftspartnern des Erblassers und sonstigen Beteiligten zu kämpfen.