I. Vor- und Nacherbschaft

 

Rz. 25

Auch wenn er allen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen bleibt, hat der Vorerbe eine weitgehende Verwaltungs- und Verfügungsfreiheit über den Nachlass, die ihm beispielsweise eine Umschichtung des Nachlasses ermöglicht. Insoweit ist seine Rechtsstellung der des Testamentsvollstreckers vergleichbar. Während der Testamentsvollstrecker jedoch grundsätzlich nicht Erbe ist, wird der Vorerbe (wie auch der Nacherbe) echter Erbe, wenn auch nur auf Zeit. Auf ihn geht das gesamte Vermögen des Erblassers über, einschließlich der Verbindlichkeiten. Der Vollstreckungsschutz ist wiederum ähnlich der Testamentsvollstreckung, denn durch § 2115 BGB, § 773 ZPO, § 83 Abs. 2 InsO wird das gesamte der Nacherbenbindung unterliegende Sondervermögen zugunsten des Nacherben vor der haftungsrechtlichen Verwertung durch Eigengläubiger des Vorerben geschützt.

 

Rz. 26

Erbschaftsteuerlich führt die Vor-/Nacherbschaftslösung regelmäßig zu einer Doppelbesteuerung des Erwerbs, so dass sie als Alternative zur Testamentsvollstreckung nur bei kleineren Nachlässen in Betracht kommt. Der Vorerbe gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG als Vollerbe, unterliegt also der vollen Erbschaftsteuer. Die ihm durch die Nacherbschaft auferlegte Beschränkung wird erbschaftsteuerlich nicht berücksichtigt. Tritt der Nacherbfall ein, so hat der Nacherbe den Erwerb noch einmal zu versteuern, und zwar – entgegen der bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise, die den Erwerb des Nacherben als vom Erblasser stammend ansieht – als Erwerb vom Vorerben, § 6 Abs. 2 ErbStG.[39]

[39] Eine Milderung ist hier möglich, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt. Der Nacherbe kann dann beantragen, dass seinem Erwerb diejenige Steuerklasse zugrunde gelegt wird, die seinem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser entspricht.

II. Nießbrauchsvermächtnis

 

Rz. 27

Die Nutzungsrechte und Lastentragungspflichten des Nießbrauchers ähneln von ihrem wirtschaftlichen Ergebnis her der Vorerbschaft. Rechtlich differieren sie jedoch deutlich. Während der Vorerbe im Rahmen der Einschränkungen nach §§ 21132115 BGB über die Nachlassgegenstände frei verfügen kann, § 2112 BGB, ist der Nießbraucher von Gesetzes wegen mit Ausnahme der §§ 1074, 1077 und 1087 Abs. 2 BGB weitgehend von Verfügungen über Nachlassgegenstände ausgeschlossen.[40] Auch die Haftung differiert erheblich. Der Vorerbe ist nur für die Erhaltung der wertmäßigen Substanz des Nachlasses verantwortlich, nicht für die Erhaltung der konkreten Nachlassgegenstände, im Übrigen auch noch gemindert auf den Sorgfältigkeitsmaßstab des § 277 BGB. Der Nießbraucher hingegen haftet voll auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Bestimmung und Sachsubstanz. In der Praxis wird die Einräumung eines Nießbrauchsvermächtnisses häufig bei der Versorgung älterer Menschen, beispielsweise des überlebenden Ehegatten, erwogen, insbesondere wenn die Anordnung einer Testamentsvollstreckung wegen der darin gesehenen "Bevormundung" des älteren Menschen als nicht tunlich oder unnötig kompliziert angesehen wird.

 

Rz. 28

Denkbar ist natürlich auch die Kombination des Nießbrauchsvermächtnisses mit der Testamentsvollstreckung. Durch die Verknüpfung des Nießbrauchs mit der umfassenden Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers wird das Nießbrauchsvermächtnis von der wirtschaftlichen Auswirkung her wieder mehr der Vorerbschaft angenähert. Es wird aber in der Handhabung als weniger kompliziert angesehen. Allerdings ist bei der Testamentsformulierung höchste Aufmerksamkeit geboten, damit nicht eine spätere Auslegung zur Annahme einer Vor- und Nacherbschaft führt, die eigentlich gerade vermieden werden sollte.

 

Praxishinweis

Generell empfiehlt sich angesichts der Kreativität mancher Nachlassgerichte bei der Testamentsauslegung explizit in der letztwilligen Verfügung festzuhalten, welches Verständnis ausdrücklich nicht gewollt ist. Beispiel: "Eine Vor- und Nacherbschaft ist ausgeschlossen."

[40] Vgl. weiterführend Schlieper, MittRhNotK 1995, 249.

III. Teilungsanordnungen und Auseinandersetzungsverbot

 

Rz. 29

Hat der Erblasser mehrere Erben eingesetzt, so bilden sie eine Erbengemeinschaft. Von ihrer Rechtsnatur her ist die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung angelegt. Jeder Miterbe kann jederzeit die Erbauseinandersetzung verlangen, § 2042 BGB.

Gerade bei unternehmerisch gebundenem oder anspruchsvoll strukturiertem privatem Vermögen führt diese gesetzliche Regelung zu unvorteilhaften Veräußerungen, bei denen der wirkliche Wert nicht erzielt werden kann, und sei es nur aufgrund einer aktuellen Marktlage. § 2048 BGB gibt dem Erblasser zwei Möglichkeiten an die Hand, steuernd einzugreifen. Zum einen kann er in seiner letztwilligen Verfügung Anordnungen treffen, wie die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu erfolgen hat. Er kann weiterhin anordnen, dass die Auseinandersetzung durch einen Dritten nach dessen billigem Ermessen erfolgen soll, § 2048 S. 2 BGB. Darüber hinaus kann er nach § 2042 Abs. 2 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ausschließen.

 

Rz. 30

Ein Auseinandersetzungsverbot kann dann sinnvoll erscheinen, wenn zum Nachlass wirt...

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