Rz. 64

Bei der bauabschnittsweisen Errichtung von Großanlagen besteht oft mittelfristig noch keine Klarheit über die endgültige Bebauung. Zunächst werden z.B. ein oder zwei Wohnblöcke errichtet; der Bauträger möchte sich jedoch vorbehalten, auf der noch frei bleibenden Grundstücksfläche weiteres Wohn- oder Teileigentum zu errichten. Man glaubte früher, die bauabschnittsweise Errichtung wie folgt sicherstellen zu können: Mit einem ­untergeordneten Wohnungs- oder Teileigentum wurde ein überdimensionaler Miteigentumsanteil entsprechend den später hinzukommenden Wohn- und Nutzflächen verbunden. Diesem wurde das Sondernutzungsrecht an Flächen für die weiteren Bauabschnitte zugeordnet. Ferner enthielt die Teilungserklärung die dingliche Ermächtigung des Berechtigten, diesen überdimensionalen Miteigentumsanteil später mit neu gebildeten Sondereigentumseinheiten zu verbinden.[52] Auf dieser Grundlage sollte sodann eine spätere Bildung von Sondereigentumseinheiten durch einseitige Erklärung des aufteilenden Eigentümers ohne Zustimmung übriger Eigentümer und insbesondere dinglich Berechtigter möglich sein. Dieses Modell muss heute als überholt gelten. Nachdem zunächst das Bayerische Oberlandesgericht[53] eine solche verdinglichte Ermächtigung für unzulässig gehalten hatte, hat sich der BGH dem in jetzt ständiger Rechtsprechung angeschlossen.[54] Einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer, die die sachenrechtliche Grundlage der Gemeinschaft zum Gegenstand hat, kann auch dann keine Wirkung gegen die Sondernachfolger beigelegt werden, wenn nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung begründet werden soll.

 

Rz. 65

Für die Behandlung von Altfällen, in denen die Grundbuchämter solche dinglichen Ermächtigungen akzeptiert und die beauftragten Eintragungen vorgenommen haben, ist die Entscheidung des BGH vom 1.10.2004[55] zu berücksichtigen. Solche Eintragungen sind nichtig, weil sich aus den Eintragungsunterlagen die mangelnde sachenrechtliche Legitimation ergibt. Ferner liegt eine inhaltlich unzulässige Eintragung vor, die nicht Grundlage eines anschließenden gutgläubigen Erwerbs sein kann. Bestehen z.B. aufgrund des Bestandsverzeichnisses eines Wohnungsgrundbuchs aus etwa den Jahren 1990–2004 Anhaltspunkte für die Verwendung einer "dinglichen Ermächtigung" oder gar aus der ursprünglichen Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung, sollten die weiteren Eintragungsbewilligungen eingesehen werden. Diese Fälle sind nicht selten. Manchmal kann auch Entwarnung gegeben werden, da bei vielen solcher Beurkundungen vorsorglich aufgrund der regelmäßig erteilten (und damals noch wirksamen) Erwerbsvollmachten gehandelt wurde. Lag dies nicht so oder ist die Kette der Vollmachten zum jetzigen Zeitpunkt unterbrochen, sind zeit- und kostenintensivere Reparaturmaßnahmen erforderlich, die insbesondere bei zwischenzeitlichen Insolvenzen oder Zwangsversteigerungen von der freiwilligen Mitwirkungsbereitschaft der Folgeerwerber abhängen können. Aus rechtlicher Sicht sicher ist nur eine endgültige Aufteilung. Sofern sämtliche Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher bereits bei Erstveräußerung angelegt sind oder im Zuge deren Abwicklung angelegt werden können, bestehen keine Probleme. Allerdings besteht die Gefahr, am Markt vorbeizuplanen. Empfehlenswert ist oft eine Realteilung der Grundstücke für die einzelnen Bauabschnitte. Daher sollte die erste Frage immer sein, ob eine Realteilung möglich und sinnvoll ist. Ver- und Entsorgungsleitungen sowie Mitbenutzungsrechte für gemeinsame Einrichtungen der Wohnanlage müssen dann allerdings durch entsprechende Grunddienstbarkeiten, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten und/oder Reallasten bzw. durch Baulasten abgesichert werden. Das ist unter Umständen kompliziert. Die Bildung von WEG-rechtlich zu beurteilenden "Obergemeinschaften" für solche Anlagen ist nicht zulässig.[56] Vormerkungslösungen sind zwar möglich (vgl. unten Rdn 81), allerdings kompliziert und teuer. Über § 12 WEG ließ sich nach der WEG-Novelle nur beschränkt die weitere Bauabschnittserrichtung sicherstellen (vgl. unten Rdn 67). Durch die WEG-Reform entfallen ist jedoch die Regelung, wonach diese Befugnis durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann (§ 12 Abs. 4 S. 2 WEG a.F.). Nach der Reform hilft auch die Erstreckung des Sondereigentums auf Freiflächen nicht weiter: § 3 Abs. 2 WEG eröffnet keine neuen Möglichkeiten der bauabschnittsweisen Errichtung von Mehrhausanlagen.[57]

Möglich ist prinzipiell die Aussetzung der Eigentumsumschreibung bis zur endgültigen Bildung aller Grundbücher.[58] Zieht sich diese aber über einen längeren Zeitraum hin, dürfte ein solches Verfahren für die Erwerber jedoch unzumutbar sein. In der Praxis üblich sind daher reine Vollmachtslösungen nebst schuldrechtlichen Zustimmungsverpflichtungen, ggf. gekoppelt mit einem Zustimmungserfordernis für den aufteilenden Eigentümer bei Weiterveräußerungen (vgl. Rdn 67).

[52] Vgl. etwa Beck'sches Notarhandbuch/...

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