1. Besonderheiten Neubau
Rz. 63
Kaum ein Neubau wird heute noch nach Maßgabe der ursprünglichen Planung realisiert. Die Ersterwerber wünschen häufig interne Grundrissänderungen, Änderungen des äußeren Zuschnitts der Wohnung oder es ergibt sich aus bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Gründen die Notwendigkeit der Änderung einer Planung. Um vor Erteilung der endgültigen Baugenehmigung Veräußerungen zu ermöglichen, bedarf es i.d.R. zur Wahrung der sachen- und schuldrechtlichen Bestimmtheit einer beurkundeten Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung nebst vorläufigen Aufteilungsplänen. Zwar ist grundsätzlich auch vorher bei ausreichender Individualisierung eine Beurkundung möglich. Die Ausgestaltung der Gemeinschaftsordnung kann dem billigem Ermessen des Verkäufers gem. § 315 BGB überlassen werden. Damit ist jedoch erhebliches späteres Streitpotential verbunden. Auch wenn sich die dingliche Teilung noch erheblich verändern kann, sollten die Details der Gemeinschaftsordnung soweit wie möglich vor Veräußerung der ersten Einheit festliegen. Jede Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung für einen Neubau bedürfen daher einer gewissen Flexibilität. Umfassende Änderungsvollmachten sind unentbehrlich (vgl. unten Rdn 66). Ferner sollte darauf geachtet werden, dass ausreichend Spielraum für die nachträgliche Bildung von Sondernutzungsrechten, für (weitere) Stellplätze im Sondereigentum oder die Erstreckung von Sondereigentum auf Freiflächen besteht (Muster vgl. unten § 5 Rdn 1 ff.). Insbesondere bei Großanlagen und/oder gemischt genutzten Anlagen ist bei der Konzeption der ursprünglichen Teilung darauf zu achten, dass einerseits die berechtigten Bestandsinteressen der Erwerber und andererseits die notwendige Zukunftsoffenheit gewährleistet sind.
2. Bauabschnittsweise Errichtung
Rz. 64
Bei der bauabschnittsweisen Errichtung von Großanlagen besteht oft mittelfristig noch keine Klarheit über die endgültige Bebauung. Zunächst werden z.B. ein oder zwei Wohnblöcke errichtet; der Bauträger möchte sich jedoch vorbehalten, auf der noch frei bleibenden Grundstücksfläche weiteres Wohn- oder Teileigentum zu errichten. Man glaubte früher, die bauabschnittsweise Errichtung wie folgt sicherstellen zu können: Mit einem untergeordneten Wohnungs- oder Teileigentum wurde ein überdimensionaler Miteigentumsanteil entsprechend den später hinzukommenden Wohn- und Nutzflächen verbunden. Diesem wurde das Sondernutzungsrecht an Flächen für die weiteren Bauabschnitte zugeordnet. Ferner enthielt die Teilungserklärung die dingliche Ermächtigung des Berechtigten, diesen überdimensionalen Miteigentumsanteil später mit neu gebildeten Sondereigentumseinheiten zu verbinden. Auf dieser Grundlage sollte sodann eine spätere Bildung von Sondereigentumseinheiten durch einseitige Erklärung des aufteilenden Eigentümers ohne Zustimmung übriger Eigentümer und insbesondere dinglich Berechtigter möglich sein. Dieses Modell muss heute als überholt gelten. Nachdem zunächst das Bayerische Oberlandesgericht eine solche verdinglichte Ermächtigung für unzulässig gehalten hatte, hat sich der BGH dem in jetzt ständiger Rechtsprechung angeschlossen. Einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer, die die sachenrechtliche Grundlage der Gemeinschaft zum Gegenstand hat, kann auch dann keine Wirkung gegen die Sondernachfolger beigelegt werden, wenn nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung begründet werden soll.
Rz. 65
Für die Behandlung von Altfällen, in denen die Grundbuchämter solche dinglichen Ermächtigungen akzeptiert und die beauftragten Eintragungen vorgenommen haben, ist die Entscheidung des BGH vom 1.10.2004 zu berücksichtigen. Solche Eintragungen sind nichtig, weil sich aus den Eintragungsunterlagen die mangelnde sachenrechtliche Legitimation ergibt. Ferner liegt eine inhaltlich unzulässige Eintragung vor, die nicht Grundlage eines anschließenden gutgläubigen Erwerbs sein kann. Bestehen z.B. aufgrund des Bestandsverzeichnisses eines Wohnungsgrundbuchs aus etwa den Jahren 1990–2004 Anhaltspunkte für die Verwendung einer "dinglichen Ermächtigung" oder gar aus der ursprünglichen Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung, sollten die weiteren Eintragungsbewilligungen eingesehen werden. Diese Fälle sind nicht selten. Manchmal kann auch Entwarnung gegeben werden, da bei vielen solcher Beurkundungen vorsorglich aufgrund der regelmäßig erteilten (und damals noch wirksamen) Erwerbsvollmachten gehandelt wurde. Lag dies nicht so oder ist die Kette der Vollmachten zum jetzigen Zeitpunkt unterbrochen, sind zeit- und kostenintensivere Reparaturmaßnahmen erforderlich, die insbesondere bei zwischenzeitlichen Insolvenzen oder Zwangsversteigerungen von der freiwilligen Mitwirkungsbereitschaft der Folgeerwerber abhängen können. Aus rechtlicher Sicht sicher ist nur eine endgültige Aufteilung. Sofern sämtliche Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher bereits bei Erstveräußerung...