Gundolf Rüge, Dr. iur. Holger Fahl
Rz. 4
Nach § 1 HaftpflG haftet für Personen- oder Sachschäden, die bei dem Betrieb einer Schienen- oder Schwebebahn eintreten, der Betriebsunternehmer. Die Haftung setzt also voraus: Eine Schienen- oder Schwebebahn, bei deren Betrieb ein Personen- oder Sachschaden eintritt.
Die Haftung nach dem CIV betrifft nur Eisenbahnverkehrsunternehmen, das heißt Schienenbahnen im eigentlichen Sinne (dazu näher unter Rdn 56).
1. Begriff der Schienen- und Schwebebahn
Rz. 5
Der Regelung in § 1 HaftpflG liegt ein umfassender Bahnbegriff zugrunde. Die Wortfassung "Schienenbahn und Schwebebahn" soll klarstellen, dass damit außer den Eisenbahnen im klassischen Sinn alle Bahnen gemeint sind, die dem Transport von Personen oder Gütern dienen, also auch Straßenbahnen, Zahnradbahnen, Untergrundbahnen und sonstige Bahnen besonderer Bauart, ohne dass es darauf ankommt, ob die Bahn als Schienenbahn auf Schienen verkehrt oder als Schwebebahn an Schienen – Schienenschwebebahn – oder an Seilen – Seilschwebebahn – schwebend befördert. Eine gesetzliche Definition des Bahnbegriffs fehlt. Nach den von der Rechtsprechung schon unter der Geltung des § 1 RHG herausgearbeiteten Kriterien zum Eisenbahnbegriff gehören zu den wesentlichen Eigenschaften einer Eisenbahn, dass sie auf metallener Grundlage erhebliche Gewichte über nicht ganz unbedeutende Entfernungen mit beträchtlicher Geschwindigkeit befördert und sich zur Herbeiführung der Transportbewegung der Naturkräfte bedient. Im Zweifelsfalle liegt eine Bahn i.S.d. § 1 HaftpflG vor, wenn mit dem Betrieb der Anlage die gleichen Gefahren verbunden sind, wie sie dem Eisenbahnbetrieb eigentümlich sind. Merkmale solcher Gefahren sind vornehmlich die Fortbewegung von Personen oder Sachen auf Schienen, die kein Ausweichen zulassen, die hohe Geschwindigkeit, die ein rasches Anhalten erschwert, der Transport großer Gewichtsmassen und die dadurch wie auch durch die erhebliche Geschwindigkeit bewirkte Wucht der Fahrzeuge, die Möglichkeit des Entgleisens und des Zusammenstoßens mit anderen Fahrzeugen und der vielfach herrschende Massenandrang als Folge der Massenbeförderung.
Die Antriebskraft der Bahn spielt keine Rolle. Es muss sich um Naturkräfte handeln wie zum Beispiel Dampf, Elektrizität, Benzin, Dieselöl, tierische Kraft (Pferdebahn), menschliche Kraft (z.B. Schieben der Bahn durch Arbeiter) oder Schwerkraft.
a) Kennzeichen einer Schienenbahn
Rz. 6
Die Bindung an Schienen oder Gleise ist ein typisches Erkennungsmerkmal für eine Schienenbahn. Unerheblich ist, ob sich die Schienen auf einem eigenen Träger befinden oder in den öffentlichen Verkehrsraum eingebettet sind. Es kommt auch nicht darauf an, auf welchem Niveau die Schienen verlaufen. Nicht erforderlich ist ferner, dass die Schienen wie bei der herkömmlichen Eisenbahn aus Metall sind. Dieses vom Reichsgericht aufgestellte Merkmal ist durch die technische Entwicklung überholt. Deshalb sind auch Bahnen, die mit Gummirädern auf Betonschienen verkehren (wie die U-Bahnen in Paris, Montreal und Mexiko City) Schienenbahnen. Sie verfügen über einen festen, mit den Fahrzeugen mechanisch verbundenen Spurweg und begründen Gefahren, die dem Bahnverkehr eigentümlich sind. Der Haftung von Schienenbahnen unterliegen auch Verkehre, die nicht insgesamt an Schienen gebunden sind, etwa wenn Zugmaschinen auf Schienen Schiffe (Treidelbahnen), Fahrzeuge oder Anhänger ziehen, die ihrerseits nicht schienengebunden sind, oder umgekehrt ein schienengebundenes Fahrzeug von einem Kraftfahrzeug gezogen wird. In letztgenanntem Fall kann zusätzlich die Kraftfahrzeughaftung eingreifen, wenn das Zugfahrzeug an einem Unfall beteiligt ist. Eisenbahnfähren sind nicht generell Schienenbahnen, wie bisher überwiegend angenommen wird. Diese Fähren gehören nur zum Bahnbetrieb, wenn sie mit den an Land befindlichen Schienenanlagen in Verbindung stehen. Haben sie sich von diesen gelöst, und bewegen sie sich wie andere Schiffe im Wasser, fehlt die Bindung an eine Strecke, so dass sich die typische Bahngefahr nicht auswirken kann. Das gilt auch für die transportierte Eisenbahn, die sich während des Fährtransportes nicht eigenständig auf Schienen zu Transportzwecken bewegt und hierfür auch über keine ausreichende Streckenlänge verfügt.
b) Beförderungs- oder Transportfunktion
Rz. 7
Eine Schienenbahn dient als Verkehrsmittel der wiederholten Beförderung von Personen oder dem Transport von Sachen. Hierzu zählen auch der Transport von Arbeitsgerät und Baumaterial mit Arbeitsfahrzeugen (Werkstattwagen, Bergungsfahrzeuge), w...