Gundolf Rüge, Dr. iur. Holger Fahl
Rz. 22
Nur der Betriebsunternehmer ist dem durch einen Bahnbetriebsunfall Geschädigten ersatzpflichtig (§ 1 Abs. 1 HaftpflG; im Unterschied zum Anlageninhaber als Ersatzpflichtigen nach § 2 Abs. 1 HaftpflG; § 25 AtomG; § 1 UmweltHG). Im Gegensatz zur Kraftfahrzeughaftung (§ 18 StVG) kennt § 1 HaftpflG keine besondere Haftung für den Führer eines Bahnfahrzeugs. Personen, die nicht Betriebsunternehmer sind, haften gemäß § 12 HaftpflG nur nach den allgemeinen Vorschriften.
Die Haftung nach dem CIV trifft hingegen nur Eisenbahnverkehrsunternehmen (siehe Rdn 56 f.).
Rz. 23
Betriebsunternehmer ist, wer eine Bahn für eigene Rechnung betreibt und wem über den Bahnbetrieb die Verfügung zusteht. Wer Betriebsunternehmer ist, richtet sich nach der tatsächlichen betrieblichen Gestaltung zur Zeit des Unfalls. Die Betriebsunternehmereigenschaft unterliegt nicht der Disposition der Vertragsparteien. Gleichwohl können Verträge und öffentliche Bekanntmachungen auf den Betriebsunternehmer hinweisen, soweit sie die tatsächlichen betrieblichen Verhältnisse widerspiegeln. Das Eigentum an der Bahnanlage und den anderen Betriebsmitteln kann Indiz für die Unternehmereigenschaft sein, ist jedoch nicht entscheidend. Vereinbarungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen, durch die die beteiligten Unternehmen die Haftung im Innenverhältnis abweichend von § 1 HaftpflG regeln, beschränken die Bahnhaftung gegenüber Dritten nicht (vgl. § 7 HaftpflG).
Rz. 24
Für eigene Rechnung betreibt eine Bahn derjenige, dem die Einnahmen und Ausgaben zufallen und dem das wirtschaftliche Ergebnis zum Vorteil oder zum Nachteil gereicht. Gemeinschaftliche Bahnbetreiber haften für Bahnschäden gesamtschuldnerisch nach § 840 BGB. Bei einem Mitbenutzungsbetrieb haftet derjenige, bei dessen Betrieb der Unfall geschah, mithin derjenige, in dessen Interesse die für den Unfall ursächliche Betriebshandlung vorgenommen wurde. Lässt sich dies nicht ermitteln, haftet jeder beteiligte Bahnbetriebsunternehmer nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. § 2 G). Bei durchgehenden Zügen (Anschlussbetrieb) ist haftender Betriebsunternehmer derjenige, auf dessen Strecke sich der Unfall ereignet, wenn nicht für den grenzüberschreitenden Zugverkehr Staatsverträge Abweichendes regeln.
Rz. 25
Bahnbetriebsunternehmer kann auch derjenige sein, der lediglich die Herrschaft über einen Teil des Betriebes innehat (etwa das Eisenbahninfrastrukturunternehmen oder das Eisenbahnverkehrsunternehmen), wenn das Merkmal des Betreibens auf eigene Rechnung erfüllt ist. Entscheidend ist, dass der Betriebsunternehmer gerade durch die Einwirkungsmöglichkeiten und -verpflichtungen hinsichtlich seines Teils des Betriebes imstande ist, die hiervon ausgehenden Gefahren abzuwenden oder zu verringern.
Rz. 26
Unternehmensorgane oder diejenigen, die wie die Betriebsleiter oder Betriebsbeamte die technische Verantwortung tragen (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 EBO, § 47 ESBO), sind keine Betriebsunternehmer, ebenso wenig der Betriebsführer, der im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages einen Bahnbetrieb im Namen des Unternehmers und für dessen Rechnung betreibt. Sie betreiben den Bahnbetrieb regelmäßig nicht auf eigene Rechnung. Für den von ihnen verursachten Schaden haftet nach § 31 BGB der Betriebsunternehmer, auf dessen Rechnung und in dessen Namen der Bahnbetrieb läuft. Der Betriebsführer kann Betriebsunternehmer sein, wenn der Betrieb nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen auf seine Rechnung oder auf Rechnung beider Unternehmen geht.
Rz. 27
Eine Benutzung auf eigene Rechnung setzt kein Eigentum an den Betriebsmitteln voraus. Der Pächter, Mieter oder Leasingnehmer einer Bahnanlage ist Betriebsunternehmer, wenn er den Betrieb für eigene Rechnung führt und über ihn Verfügungsgewalt hat.
Rz. 28
Die Verfügungsgewalt hat regelmäßig derjenige, der über die Bahnstrecke mit Zubehör wie Bahnhöfen und Signalen, über die Fahrzeuge und das Fahrpersonal die Herrschaft hat, die für den Verkehr notwendigen Anweisungen erlässt und die Fahrpläne festsetzt. Dafür ist weder das Eigentum an den Betriebsmitteln notwendig noch die alleinige Befugnis zur Aufsicht und Kontrolle. Entscheidend ist, dass der Betriebsunternehmer gerade durch die Einwirkungsmöglichkeiten und -verpflichtungen in der Lage ist, auf den Zustand und die Abläufe der Anlagen und Einrichtungen Einfluss zu nehmen.