Gundolf Rüge, Dr. iur. Holger Fahl
Rz. 29
Mit dem Allgemeinen EisenbahnG (AEG) schuf der Gesetzgeber 1993 die beiden Teilbereiche Eisenbahnverkehrsdienste (Fahrbetrieb) und Eisenbahninfrastruktur (§ 2 Abs. 1 AEG). Die Verkehrsdienste erfassen den Personen- und Güterverkehr (§ 2 Abs. 2 Satz 1 AEG), die Infrastruktur umfasst die Betriebsanlagen nebst Bahnstromfernleitungen (§ 2 Abs. 6 AEG). Als Betreiber der Schienenwege sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen zuständig für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung der Schienenwege einschließlich Verkehrsmanagement, Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung (§ 2 Abs. 7 AEG). Durch die rechtliche Trennung und die dauerhafte Verselbständigung von Infrastruktur und Fahrbetrieb entstand ein dualistischer Eisenbahnbegriff. Sowohl Verkehrsdienstunternehmen als auch Infrastrukturunternehmen sind jeweils eigenständige Betriebsunternehmer iSd § 1 HaftpflG. Befördert nunmehr ein Eisenbahnunternehmen auf fremder Eisenbahninfrastruktur Personen oder Güter nach Maßgabe eines bestimmten Nutzungsverhältnisses, so betreibt das Eisenbahnverkehrsunternehmen den Verkehr auf eigene Rechnung und hat die – jedenfalls teilweise – Verfügungsgewalt über die Infrastruktur. Diese verbleibt gleichsam beim Inhaber der Eisenbahninfrastruktur, der sein Schienennetz und die dazugehörigen Anlagen unterhält, ausbaut und vermarktet und dem Eisenbahnverkehrsunternehmen weitere Dienstleistungen wie die Bedienung und Wartung von Melde-, Schalt- und Sicherheitseinrichtungen anbietet. Beide – Verkehrsunternehmen und Infrastrukturunternehmen – sind Eisenbahnen im Sinne des § 2 Abs. 1 AEG. Beide sind am Bahnbetrieb – das eine durch Bereitstellung und Unterhalt der Schienenanlagen, das andere durch den Fahrbetrieb – unabdingbar beteiligt und in ihrem Bereich sowohl Verursacher der Gefahrenquelle Bahnbetrieb als auch imstande, auf die Gefahr mindernd oder verstärkend einzuwirken. Wegen dieser arbeitsteiligen Mitgestaltung sind beide Betriebsunternehmer gemäß § 1 HaftpflG und haften im Schadensfall einem (außenstehenden) Dritten als Gesamtschuldner. Im Verhältnis zueinander richtet sich die Haftung von Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen danach, wessen Risikobereich die Gefahrenlage zuzurechnen ist, die den Unfall verursacht hat. Für die Abwägung gemäß § 13 HaftpflG ist das Maß der Verursachung entscheidend, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist lediglich ein Faktor der Abwägung.
Die Haftung nach dem CIV gilt nur für nach den Eisenbahngesetzen genehmigte Eisenbahnen. Sie trifft davon nur Eisenbahnverkehrsunternehmen, weil nur diese Beförderungsverträge schließen (siehe Rdn 56 f.).