Gundolf Rüge, Dr. iur. Holger Fahl
1. Berechtigte und Umfang des Ersatzanspruches
Rz. 49
Ersatzberechtigt für bei Bahnbetriebsunfällen erlittene Schäden ist grundsätzlich nur derjenige, der unmittelbar durch eine Verletzung seiner durch § 1 Abs. 1 HaftpflG geschützten Rechtsgüter beeinträchtigt wird, das heißt der in seiner körperlichen Integrität oder seiner Gesundheit verletzte Mensch oder der Eigentümer oder Inhaber eines dinglichen Rechts an einer Sache. Mittelbar Geschädigten steht nur im Falle der Tötung eines Menschen ein Ersatzanspruch gegen den Betriebsunternehmer, etwa wegen der Entziehung von Unterhaltsansprüchen (§ 5 Abs. 2 HaftpflG) oder wegen der Beerdigungskosten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 HaftpflG) zu.
Rz. 50
Ersetzt werden nur Personenschäden und Sachschäden. Keinen Ersatz sieht § 1 HaftpflG für reine Vermögensschäden vor, die nicht auf der Tötung, der Körper- oder Gesundheitsbeeinträchtigung eines Menschen oder der Beschädigung einer Sache beruhen, sowie für die Folgen der Freiheitsentziehung und -beschränkung. Insbesondere Ausfall- und Verspätungsschäden werden nicht erfasst, siehe hierzu Art. 32 § 1 CIV, § 17 EVO. Zu den Personenschäden zählen im Falle der Tötung eines Menschen auch die Vermögensnachteile, die zwischen Schädigung und Eintritt des Todes für versuchte Heilung, wegen Nichtausübung der Erwerbstätigkeit und vermehrter Bedürfnisse des Getöteten entstanden sind (§ 5 Abs. 1 S. 1 HaftpflG) sowie seit 2017 der Anspruch auf Hinterbliebenengeld (§ 5 Abs. 3 HaftpflG). Der Schadensersatz geschieht durch Leistung einer Geldrente (§ 8 Abs. 1 HaftpflG).
Rz. 51
Schmerzensgeld kann der aus Gefährdungshaftung nach § 1 HaftpflG an seinem Körper Verletzte seit 2002 gemäß § 6 S. 2 HaftpflG verlangen. Zu den Einzelheiten wird auf die Ausführungen in § 18 dieses Buches verwiesen.
2. Haftungshöchstgrenzen
Rz. 52
Nach § 9 HaftpflG haftet der Ersatzpflichtige (Unternehmer nach § 1 oder Inhaber nach § 2) für Personenschäden für jede getötete oder verletzte Person bis zu einer Jahresrente von 36.000 EUR oder einem Kapitalbetrag von 600.000 EUR. Diese Regelung weicht erheblich von § 12 StVG ab. Als Rente sind nach § 8 HaftpflG zu zahlen: Erwerbsschaden, vermehrte Bedürfnisse und Unterhaltsschaden für die Zukunft. Der Geschädigte kann wegen der zukünftigen Rentenleistungen Kapitalabfindung verlangen (§ 8 Abs. 2 HaftpflG i.V.m. § 843 Abs. 3 BGB).
Rz. 53
Der Ersatzanspruch für Sachschaden ist der Höhe nach gemäß § 10 HaftpflG auf 300.000 EUR begrenzt, und zwar auch dann, wenn durch dasselbe Ereignis mehrere Sachen beschädigt werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift gilt die Begrenzung für alle Haftungsnormen des HaftpflG. Auch dieser Höchstbetrag liegt deutlich unter der im Straßenverkehrsrecht geltenden Summe (§ 12 StVG). Können mehrere Personen aufgrund desselben Ereignisses Ersatz ihres Sachschadens verlangen, der insgesamt 300.000 EUR übersteigt, so verringern sich nach § 10 Abs. 2 HaftpflG die einzelnen Ansprüche im Verhältnis ihrer Höhe zum Höchstbetrag. Dies gilt nicht für die Beschädigung von Grundstücken (§ 10 Abs. 3 HaftpflG).
3. Haftpflichtversicherung
Rz. 54
Zur Deckung des Haftpflichtrisikos aus § 1 HaftpflG sind Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemäß § 14 Abs. 1 AEG verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Die Mindesthöhe der Versicherungssumme beträgt 20 Mio. EUR je Schadensereignis und muss für jede Versicherungsperiode mindestens zwei Mal zur Verfügung stehen (§ 14b AEG).
4. Verjährung
Rz. 55
§ 11 HaftpflG erklärt die für unerlaubte Handlungen geltenden Verjährungsvorschriften des BGB für entsprechend anwendbar. Damit verjähren Ansprüche regelmäßig in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen wie auch dem Schuldner Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Zur Verjährung von Ansprüchen nach CIV siehe unten Rn 67.