Rz. 95
Entsprechend wurde in den §§ 636, 637 RVO geregelt, dass ein Unternehmer oder ein sonstiger Betriebsangehöriger bei einem Arbeitsunfall nicht für die Personenschäden haften sollte, die ein Mitarbeiter des gleichen Betriebes hierdurch erleidet.
a) Versicherte Personen
Rz. 96
Wer über die gesetzliche Unfallversicherung versichert war, richtete sich bei der alten Gesetzeslage nach §§ 539, 540, 543–545 RVO. Von besonderer Bedeutung und Praxisrelevanz war dabei die Vorschrift des § 539 Abs. 2 RVO. Danach waren gegen Arbeitsunfall auch Personen versichert, die wie ein nach Abs. 1 Versicherter (also wie ein normaler Arbeitnehmer des Unternehmers) tätig wurden; dies galt auch bei nur vorübergehender Tätigkeit. In der Vergangenheit ist hier sehr viel über die Frage gestritten worden, wann eine Eingliederung in den Betrieb des Unternehmers vorlag mit der Folge der Haftungsbeschränkung der §§ 636, 637 RVO.
Rz. 97
Die Rechtsprechung knüpfte dies im Wesentlichen an folgende Voraussetzungen:
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Der Geschädigte musste eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit verrichten. |
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Diese Tätigkeit musste dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen und |
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ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden können, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt offenstehenden Beschäftigungsverhältnis stehen. |
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Sie musste ferner unter solchen Umständen geleistet werden, wie sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. |
Wann diese Voraussetzungen im Einzelnen gegeben waren, war jeweils Tatfrage und für alle Prozessbeteiligten nur schwer vorhersehbar.
b) Umfang des Haftungsausschlusses
Rz. 98
Erlitt demnach ein Arbeitnehmer oder ein in den Betrieb des Unternehmens eingegliederter Beschäftigter einen Arbeitsunfall durch das Verschulden des Unternehmers oder eines Arbeitskollegen, bestand nur bei Sachschäden, bei vorsätzlicher Herbeiführung des Arbeitsunfalls oder bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr für den Geschädigten die Möglichkeit, seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Schädiger selbst durchzusetzen. Die Frage, wann eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vorlag, war immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen.
Rz. 99
Wann eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vorlag, hing davon ab, ob der Verletzte den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer oder als Betriebsangehöriger erlitten hat (BGH VersR 1973, 736; ebenso von Gerlach, Die Rechtsprechung des BGH zum Haftpflichtrecht 1995, DAR 1996, 207). Entscheidend sollte dabei sein, ob sich in dem Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten manifestiert oder ob insoweit zu dienstlichen bzw. betrieblichen Beziehungen zwischen beiden kein oder ein nur loser Zusammenhang bestanden hat.
Beispiel
Die Hin- und Rückfahrt eines Betriebsangehörigen zu und von seiner Arbeitsstätte ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers selbst und nicht die des Betriebes (BGH NJW 1981, 869). Erlitt ein Betriebsangehöriger auf einer solchen Fahrt einen Unfall, handelte es sich um eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr. Dies hatte zur Folge, dass er einerseits Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Wegeunfalls (§ 550 RVO) erhielt, andererseits seine Schadenersatzansprüche gegen den Schädiger zusätzlich geltend machen konnte – weil eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vorlag.
Rz. 100
Etwas anderes galt, wenn ein Mitarbeiter beim Werkverkehr oder bei einem Unfall im Werksgelände einen Unfall erlitt. Hier wurde eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr verneint mit der Folge, dass der Schädiger sich auf die Haftungsbeschränkung der §§ 636, 637 RVO berufen konnte (BGH DAR 1992, 40). Ebenso war in aller Regel die Beförderung des Arbeitnehmers im firmeneigenen Kraftfahrzeug zur Arbeitsstelle durch den Arbeitgeber keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr (BGH VersR 1973, 736). Nach § 637 Abs. 1 RVO galt § 636 RVO bei Arbeitsunfällen entsprechend für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht hatte.
c) Regress der Berufsgenossenschaft
Rz. 101
Nach § 640 RVO hatten jedoch diejenigen Personen, deren Ersatzpflicht durch §§ 636, 637 RVO beschränkt war, in den Fällen, in denen sie den Arbeitsunfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hatten, den Trägern der Sozialversicherung, insbesondere dem Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaft), die ihnen infolge des Arbeitsunfalls entstandenen Aufwendungen vollständig zu ersetzen. Dabei spielte es keine Rolle, ob ein Mitverschulden des beim Arbeitsunfall Geschädigten bei der Schadensverursachung mitgewirkt hatte. Der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers bestand immer in voller Höhe. Dies führte für den Schädiger üblicherweise dazu, dass er aufgrund seiner Regresspflicht nach § 640 RVO erheblich höhere Zahlungen an die Sozialversicherungsträger zu leisten hatte, als er nach BGB-Haftung dem Geschädigten selbst geschuldet hätte. Die Regelung...