a) Allgemeines
Rz. 102
Für Schadensfälle ab dem 1.1.1997 gelten die Regelungen des SGB VII. Im 4. Kapitel des SGB VII sind die geltenden Vorschriften über die Haftung von Unternehmen, Unternehmensangehörigen und anderen Personen, die den Arbeitsunfall eines Versicherten verursacht haben, geregelt.
Rz. 103
Das 4. Kapitel beginnt mit den §§ 104 ff. SGB VII, welche die bisherigen Regelungen der §§ 636 ff. RVO ablösen. Sie beschränken die privatrechtliche Haftung der dort genannten Personen bei einem nicht vorsätzlich oder auf einem Weg zur oder von der Arbeit herbeigeführten Unfall gegenüber dem verletzten Arbeitnehmer in größerem Umfang als bisher.
Rz. 104
Neu ist insbesondere die Terminologie des Versicherungsfalls. Während früher allein der Arbeitsunfall, zu dem u.U. auch Berufskrankheiten zählen konnten, gesetzlich unfallversichert war, zählen nunmehr auch alle Berufskrankheiten kraft Gesetzesdefinition zu den Versicherungsfällen (§ 7 SGB VII).
Rz. 105
Der Umfang der Arbeitsunfälle ist in § 8 SGB VII festgelegt. Nicht mehr mitversichert ist jetzt das monatliche Geldabheben bei bargeldloser Lohnauszahlung im Gegensatz zum früheren § 548 Abs. 1 S. 2 RVO.
Rz. 106
Neu einbezogen in den Versicherungsschutz sind dagegen viele Wegeabweichungen auf dem Weg von und zur Arbeit, die früher nicht mitversichert waren (§ 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII).
b) Haftungsbeschränkung zugunsten des Unternehmers
Rz. 107
Nach § 104 Abs. 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
Rz. 108
An der Formulierung "den Versicherten" lässt sich dabei im Gegensatz zu der Altregelung des § 636 RVO erkennen, dass der Gesetzgeber sämtliche Personen in den Schutz der Haftungsbeschränkung aufnehmen wollte, die für das Unternehmen oder den Unternehmer tätig geworden sind oder zu dem Unternehmen in einer sonstigen, die Versicherung begründenden Beziehung gestanden haben.
Rz. 109
Der Unfallvorgang muss dem Stammbetrieb des Schädigers zuzuordnen sein. Der Geschädigte muss in diesen Betrieb eingegliedert sein.
Rz. 110
Die Haftungsbeschränkung gilt nunmehr zugunsten aller Personen, die als gesetzlich Unfallversicherte für das Unternehmen tätig werden, unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit. Dazu gehören beispielsweise auch die nur vorübergehend arbeitnehmerähnlichen Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII, z.B. die unentgeltliche Mithilfe beim Ab- oder Beladen eines Kraftfahrzeugs, Reparaturarbeiten und Pannenhilfe an einem Kraftfahrzeug, z.B. durch Anschieben (OLG Oldenburg VersR 2016, 461), oder auch Mithilfe in Haus und Garten.
Rz. 111
Auch nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII bleibt bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls die Verpflichtung des Unternehmers zum Ersatz des Personenschadens erhalten, eine Vorschrift, die allerdings im Verkehrsrecht praktisch keine Bedeutung hat.
Rz. 112
Zu der nach bisherigem Recht bedeutsamen Ausnahmeregelung der Teilnahme am allgemeinen Verkehr stellen die Vorschriften der §§ 104, 105 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII neue Maßstäbe auf.
Rz. 113
Entscheidend ist nunmehr, ob der Unternehmer oder ein im Unternehmensbereich Tätiger den Versicherungsfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt hat.
Rz. 114
Solche Wege sind gem. § 8 Abs. 2 SGB VII:
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das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Nr. 1), |
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das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit abweichenden Weges, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer oder ihrer Ehegatten beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen (Nr. 2a) oder |
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mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen (Nr. 2b), |
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das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, dass die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten fremder Obhut anvertraut werden (Nr. 3), |
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das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben (Nr. 4). |
Rz. 115
Beabsichtigt war nach der neuen Gesetzeslage, die Haftungsbeschränkung zugunsten des Unternehmers nicht mehr wie früher nur bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr entfallen zu lassen, sondern stattdessen bei allen sog. Wegeunfällen, selbst dann, wenn auf dem Weg zur ...