Rz. 150

§ 106 SGB VII erweitert die Haftungsbeschränkung auf alle diejenigen Personen, die im Rahmen einer Aus- und Fortbildung in Betrieben tätig sind.

 

Rz. 151

Einbezogen werden insbesondere:

Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Aufnahme einer versicherten Tätigkeit stellen
sowie Kinder in Kindertagesstätten, Schüler und Studierende.
 

Rz. 152

Die Haftungsbeschränkung gilt dabei gegenüber anderen Versicherten in jeder denkbaren Konstellation, ebenso wie für Pflegepersonen und Pflegebedürftige in gleicher Weise.

 

Rz. 153

Besondere Bedeutung kommt der Vorschrift des § 106 Abs. 3 SGB VII zu. Danach gelten die Haftungsbeschränkungen der §§ 104, 105 SGB VII auch für die bei mehreren beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander in den Fällen,

in denen Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder Unternehmen des Zivilschutzes
oder Versicherte mehrerer Unternehmer vorübergehend bei betrieblichen Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstelle

zusammenwirken.

 

Rz. 154

Überholt ist damit die Rechtsprechung zu den Vorschriften der RVO, nach der nur im Rahmen von Leiharbeitsverhältnissen und Arbeitsgemeinschaften von Unternehmen eine Haftungsbeschränkung erfolgte. Nach § 106 Abs. 3 SGB VII reichen nunmehr bereits vorübergehende betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte aus, ohne dass es besonderer Rechtsbeziehungen zwischen den Unternehmen bedarf.

 

Rz. 155

Die Frage, was unter einer gemeinsamen Betriebsstätte zu verstehen ist, hat der BGH in einem Grundsatzurteil (BGH VersR 2001, 336 = zfs 2001, 64) geklärt (bestätigend BGH VersR 2001, 372 = zfs 2001, 206; BGH VersR 2011, 500 = zfs 2011, 320; VersR 2011, 1567). Voraussetzung für die Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte ist, dass Versicherte mehrerer Unternehmen – über die Fälle einer reinen Arbeitsgemeinschaft hinaus – bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen sich ergänzen oder unterstützen, also bewusst zusammenarbeiten, wobei die gegenseitige Verständigung auch stillschweigend durch bloßes Tun erfolgen kann. Eine gemeinsame Betriebsstätte setzt mehr voraus als dieselbe Betriebsstätte. Es kommt auf ein bewusstes und gewolltes Ineinandergreifen der Tätigkeiten der Beteiligten an. Die beiderseitigen Aktivitäten müssen wechselseitig aufeinander bezogen sein, ein lediglich einseitiger Bezug reicht nicht aus (BGH VersR 2004, 381). Zwischen den Tätigen verschiedener Unternehmen muss eine Gefahrengemeinschaft bestehen, bei der typischerweise jeder der (in enger Berührung miteinander) Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden kann (BGH v. 3.7.2001 – VI ZR 284/00; BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 483/12 – NZV 2015, 179). Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung (BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 483/12 – NZV 2015, 179).

 

Beachte

Eine Haftungsentsperrung (Wegfall des Haftungsprivilegs des Schädigers) zugunsten des Geschädigten kann nur dann erreicht werden, wenn keine gemeinsame Betriebsstätte vorliegt, sondern nur ein Nebeneinander von Aktivitäten auf derselben Betriebsstätte.

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